Foumban: Reise in das Königreich der Bamun
Das Stadttor von Foumban ist ein idealer Botschafter. Mit seinen roten Ziegeldächern, Porträts von Königen, zweiköpfigen Schlangen und einer fiesen Kriegerstatue steht es für die Identität dieser geschichtsträchtigen Stadt. Was es mit all diesen Dingen auf sich hat, dass erfahrt ihr in diesem Blogeintrag.

Foumban: Eine Einführung
Die gerade geernteten Maisfelder weichen langsam den ersten Steinhäusern, da lenkt mich mein Guide durch das Stadttor. Wir sind in Foumban, der Hauptstadt der Bamun, einer in Westkamerun angesiedelten Volksgruppe und Königreich. Seine Entstehungsgeschichte geht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Der Legende nach täuschte der spätere Fon – das heißt König – Nchare Yen seine Gefährten, um den Mape Fluss alleine mit der einzigen Piroge zu überqueren. Nach dieser List gründete er, am anderen Ufer angekommen, das Königreich der Bamun.

Wir nähern uns dem königlichen Palast Foumbans, der auf den für Westkamerun so typischen Hügeln des Hochplateaus erbaut wurde. Er erregt nicht etwa aufgrund seiner Größe, sondern vielmehr wegen seiner außergewöhnlichen Architektur meine Aufmerksamkeit. Rote Ziegel, hölzerne Fensterläden und ein Parkplatz vor der Tür: Hier waren augenscheinlich die Deutschen zugegen. Jedoch waren es nicht sie, die diesen Palast 1917 erbauen ließen, sondern der damalige Fon Njoya Ibrahim. Als großer Bewunderer der deutschen Kultur ließ er das Postkartenbild eines preußischen Landguts in den Bauplan einfließen.


Auf dem Parkplatz tummeln sich bei unserer Ankunft einige hochrangige Regierungsvertreter. Keine Seltenheit. Bis heute sind die Politiker der Zentralregierung Yaoundés auf die Unterstützung des Fons zur Umsetzung lokaler Projekte angewiesen. Als einfacher Besucher kann man ihn jeden Freitag hautnah dabei zusehen, wie er mitsamt Entourage und großem Tam-Tam zu der nahegelegenen Moschee schreitet. Die Bamun, Nachfahren der aus dem Niltal stammenden Tikar, sind überweigend Muslime. Sie haben sich dabei jedoch eine gewisse kamerunische Lockerheit in der Regelauslegung angeeignet.


Das Nationalmuseum: Geklaute Kulturgüter
Wir betreten den Königspalast. Hier befindet sich sowohl die Audienzhalle des Fons als auch das Nationalmuseum. Hier begegnen wir dem Reichtum der Bamunkultur – Masken, Instrumente, Tuchwaren, Orden, sogar Bronzeschwerter und Skulpturen, die weiterhin produziert werden, sind hier ausgestellt. Mein persönlicher Höhepunkt ist die eigene Schrift, die der geniale Fon Njoya Ibrahim im Traum entwickelte. Sie wird noch immer von einigen Personen beherrscht. Ganz nebenbei war er auch einer der ersten Verfechter der „Make Love Not War“ Bewegung: Anstatt sich ständig von dickbäuchigen Kriegsberatern umgeben zu lassen, verkehrte Ibrahim lieber mit seinen mehr als 600 Ehefrauen und sorgte so für die Ausdehnung seiner Königreiches. Er war nicht der einzige Visionär in seinem Stammbaum.



Wir lernen, dass es bereits im 15. Jahrhundert eine Königin gab, dass schon damals Fons die Wilderei durch strikte Lizenzierung einschränkten oder dass jeder Fon alle drei Jahre in einem aufwendigen Ritual von einer Geheimgesellschaft beurteilt und sogar entthront werden kann. Trotz all des Engagements unseres Museumführers stelle ich jedoch beim Blick in den Audienzsaal eine gewisse Leere fest. Als ob irgendetwas fehlt. Tatsächlich befindet sich das wertvollste Objekt – der königliche Thron Njoya Ibrahims – weiterhin im ethnologischen Museum von Berlin. Er ist bei weitem nicht das einzige Objekt, welches auf seine Rückgabe wartet. Ich werde in einem gesonderten Blogeintrag noch genauer auf die Restitutionsbemühungen eingehen.



Für heute bleibt festzustellen, dass etliche kamerunische Kulturgüter einen ganzen Saal in Berlin zum Pläsir europäischer Besucher füllen, während sich das Museum in Foumban noch einige Zeit gedulden werden muss.

Das neue Nationalmuseum: Die Zweiköpfige Schlange
Etwas Geduld benötigte auch die Eröffnung des neuen Museums direkt neben dem Palast. Doch hier scheint sich das Warten gelohnt zu haben. Mit seiner außergewöhnlichen Bauweise von zwei gewundenen Schlangenköpfen als Eingängen und einer Riesenspinne auf dem Dach zieht es mit Sicherheit keine Berliner Teenager an, trägt somit aber umso mehr zur Identität der Bamun bei.


Doch was verbirgt sich nun hinter diesen kryptischen Symbolen? Die zweiköpfige Schlange ist ein Zeichen des langjährigen Widerstands an den zwei Reichsfronten, die beide siegreich gestaltet wurden. Die Spinne hingegen steht für die Arbeit. Eine mächtige Doppelglocke, die in Zeremonien zur Ankündigung des Fons verwendet wird, rundet die symbolische Meisterleistung ab.
Das Künstleratelier: Bronzeskulpturen und Schwerter
Wir lassen das Museum hinter uns und wenden uns in Richtung der Kunstateliers. Ein eigenes Viertel liegt nur wenige hunderte Meter vom Königspalast entfernt und lässt sich über eine vom Regen durchmatschte Erdstraße erreichen. Seit Jahrhunderten kneten die Bewohner Lehm und Dung zu einem Ton, der dann mit einer Bronzeschicht überzogen wird. Das passiert mit allen Mitteln, die die Natur zu bieten hat: Honig, Hitze und Oxidation. Schließlich, nach mehrmonatiger Arbeit, entstehen detailreiche Figuren von Ringfinger- bis Tigergröße in unterschiedlichen Farbtönen.



Bei unserem Besuch an einem Sonntag sind die Produktionsstätten des Handwerker-Kollektivs jedoch leer. Grund ist ein Trauerfall. Sonntag scheint schlichtweg nicht der Tag der Bamun zu sein. Das hätten wir wissen sollen, heißt „Bamun“ doch nichts anderes als „Volk des Dienstags“. Ein Name, dem man nur auswählen kann, wenn man noch nicht Teil einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft ist.



Zwei Männer nahmen uns trotz gedrückter Stimmung an die Hand und erklärten uns, dass früher fast ausschließlich Waffen für den königlichen Hof produziert wurden. Heute liegt der Fokus eher auf dekorativen Elementen für Sammler. Weiterhin aber gilt die Regel: Der Fon wird kostenlos beliefert.
Moschee der Bamun: Elektrisierende Aussicht
Unser letzter Stopp führt uns auf das Minarett der Moschee im Stadtkern. Ein paar staubige Treppen und wacklige Leitern nach oben und schon blicken in Vogelperspektive auf die hügelige Stadt. Ich bewundere gerade das ferne Treiben auf dem Markt, da zwickt mich auf einmal etwas an meiner linken Pulsschlagader. Ein Stromschlag von einem sorglos verlegten Lautsprecherkabel! Mit etwas Pech wäre ich rücklings unter Nichtbeachtung der Leiterstufen ins Treppenhaus gestürzt. So blieb mir nur übrig, über meine Tollpatschigkeit zu lachen.

Die Sonne, auch wenn heute selten sichtbar, neigt sich dem Horizont und wir klettern die Leitern hinab, um den Heimweg anzutreten. Beim Durchfahren des Stadttores stellt sich uns jedoch noch eine letzte Frage: Was hat es mit dieser fiesen Kriegerstatue, die einen Säbel in der einen und einen abgerissenen Affenschädel in der anderen Hand hält, auf sich?



Letzte Frage: Was hat es mit der Kriegerstatue auf sich?


Die Geschichte dazu lautet wie folgt: Im Zweifrontenkrieg musste jeder Krieger dem Fon als Beweis für seinen Mut den Schädel eines Feindes überbringen. Das galt selbstverständlich auch für den besten Krieger der Bamun. Als dieser ein einziges Mal keinen Feind erlegen konnte, entschloss er sich stattdessen, einen Affen zu töten und dem König diesen Schädel zu präsentieren. Der Fon ließ sich nicht täuschen und war gekränkt ob dieser Majestätsbeleidigung. Das wütende Volk lechzte nach Bestrafung.
In der Nacht vor der Hinrichtung grübelte der Fon lange nach und erinnerte sich schließlich an die Entstehungsgeschichte der Bamun. Es war eine List, die dem ersten König damals erlaubte neues Territorium zu betreten. Und kann ein Bamun dafür bestraft werden im Rahmen seines eigenen Wertekontextes zu handeln? Unmöglich, befand der König.


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