Yaoundé en fête – Der große Jahrmarkt
Außerhalb Kameruns wäre der Rummel „Yafé“ wahrscheinlich in jeder Stadt eine effektive Mietpreisbremse gewesen. Mit seinen abendlichen Vorführungen voll fanatisch feiernder Menschenmassen und ohrenbetäubender musikalischer Darbietungen beschallte dieser im Dezember von früh bis spät die angrenzenden Wohnviertel. Hier in meiner Wohnung mit tadellosem Bild- und Tonempfang auf dem Nachbarhügel gelegen, schien ich jedoch der Einzige gewesen zu sein, der sich gelegentlich einen Lautstärkeregler wünschte. Zu schmerzhaft war der Gedanke daran, dass sich Tausende Menschen amüsierten, während ich meine Masterarbeit schreiben musste. Um meiner Tristesse entgegenzuwirken, half schließlich nur eins: Konfrontation. Und so entschied ich mich, den Jahrmarkt am nächsten Tag selbst zu besichtigen.
Kurz die gewundene Straße herunter und schon stand ich vor dem Eingang am Fuße des Hügels, auf dem auch der Kongresspalast thront (siehe Blogeintrag). Normalerweise kehren hier gehobenere Gäste zu Konferenzen und Hochzeiten ein und aus. Zum Ende des Jahres jedoch war es der größte Jahrmarkt der Stadt Yafé (Yaoundé en fête), der die Besucher anzog. Zwischen dem Tor und einer konfusen Kreuzung hatte sich zu diesem Anlass ein lebendiger Markt gebildet. Zwar hatte die Stadt noch versucht mit Ampeln Ordnung zu schaffen, doch diese gingen in dem Gewusel unter.
Auf diesem Vorplatz hatten zahlreiche Opportunisten, von denen das Land voll ist, Eisdielen, Brot- und Grillstände aufgebaut. Dazwischen bewarben Maskenverkäufer ihr Produkt, mit dem Verweis auf die Maskenpflicht im Rummel. Ich kaufte mir also eine Maske. Bevor ich jedoch den Rummel betrat, wollte ich noch meinen Hunger stillen. Die Verkäuferin, die gerade dabei war, mein Sandwich zu belegen, wurde plötzlich von einem lautstarken Polizisten ihres Platzes verwiesen. Kurzerhand hievte sie die Brotschale auf ihren Kopf, nahm ihren Schemel in die Hand und baute ihren Stand fünfzig Meter weiter mit einer Handbewegung wieder auf. Danach bediente sie mich ohne sich groß um das Geschehene zu kümmern.
Neben uns standen junge Männer mit zeremoniell gezierten Pferden. Sie hielten nach jungen Familien Ausschau in der Hoffnung, ein kleines Kind würde seine Eltern schließlich zum Aufsitzen überreden. In dem Getümmel war das nicht immer ungefährlich. Einmal sah ich, wie ein Pferd drohte, auszubüchsen und sich dabei panisch auf die Hinterläufe stellte. Sein Herrchen schrie mit den Armen fuchtelnd, die schläfrige Familie hinter dem Pferd an, umgehend aus dem Trittbereich der Hufen zu rennen. Ein kleines Mädchen lief tränenüberströmt ins Leere.
Schließlich kam ich an einem eisernen Gatter, dem Eingangstor, an. Ich passierte die freiwillige Gepäckkontrolle, zahlte einen Euro Eintritt und stellte beim Eintreten fest, dass ich natürlich keine Maske brauchte! Im Rummel ging es dafür wesentlich geordneter zu. Er war gut organisiert und viel weniger chaotisch als sein kleiner inoffizieller Bruder auf der anderen Seite. Hauptsächlich Familien oder Zuckerwatte-Essende Jugendliche flanierten friedlich entlang der von Verkaufsständen gesäumten Passagen. In den Weinlounges sah man Eltern sich entspannen, während die Kinder in den Spieleparadiesen tobten. Es gab sogar einen Rettungswagen.


Ich schlenderte langsam den Hügel hoch entlang der Verkaufsstände, die sich aus allen Himmelsrichtungen Kameruns hier versammelt hatten. Von Essen über Hygiene, Mode- oder Kulturartikel wurde hier alles angeboten. Allein mit „S“ fallen mir schon genügend Produkte ein, die einen eigenen Stand hatten: Schuhe, Softeis, Shawarma, Seife. Von Letzterem kaufte ich, warum auch immer, gleich sechs Blöcke für 1.50€. Dann ging es an die Zuckerwatte, die hier „Barbe à Papa“ oder „Babababa“ heißt. Ich verstand den Eisverkäufer erst falsch und nahm an, er würde mir wie sonst üblich Piment (Chili) zum Essen servieren wollen. Kurz darauf streifte ich einen zum Schmöckern geeigneten Buchladen – nicht üblich in Yaoundé, denn Bücher sind teuer. Selbst hier, wo viele Produkte zu Promotionszwecken billiger verkauft werden, nahm der Verkäufer das französische Preisschild auf der Rückseite als Ausgangspunkt fürs Feilschen. In einer großen Messehalle kaufte ich mir dann noch ein handgenähtes nordisches Hemd für gerade einmal 12€.
Endlich am höchsten Punkt angekommen, schaute ich über die steilen Treppen herab auf eine Bühne mit Leinwand, auf der gerade ein Kinderfilm lief. Dahinter erstreckte sich das weite, staubige Stadtpanorama, welches die tief stehende Sonne in diesem Moment zum Schimmern brachte. Später bei Nacht, würden hier Musiker Konzerte geben. Das war also die Quelle meiner Schlafstörung. Und tatsächlich! Von hier aus konnte ich problemlos auf meinen Balkon blicken.



Langsam dachte ich an meinen Rückweg und bemerkte dabei ein Kettenkarussell, welches genau in einer Linie zwischen mir und meinen Balkon stand. Sollte es etwas möglich sein, sich mithilfe der Fliehkraft auf meinen Balkon katapultieren zu lassen? Ich müsste dafür nur die rostigen Metallketten im richtigen Moment lösen und schon hätte ich mir den anstrengenden Heimweg erspart. Nachdenklich. Als ich aber bemerkte, dass die Warteschlange länger als mein Heimweg war (wollten die etwa alle in meine Wohnung?) gab ich meine Idee auf. Ich versuchte es noch beim Autoscooter, wo die zukünftigen Taxifahrer Yaoundés ausgebildet wurden, doch auch hier dasselbe Ergebnis: endlose Warteschlangen. Am Ende ging ich also ganz klassisch zu Fuß nach Hause. Yafé hat mir so gut gefallen, dass ich ihn morgen gleich noch mal besuchen sollte.
Offizielle Fotos vom letzten Jahr könnt ihr euch auf der offiziellen Website https://www.ya-fe.com/index.php/mediatheque/ anschauen.
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