Wer bist du – und wenn nicht, entschuldigung.
Kennst du diesen Schmerz, wenn dir etwas Peinliches passiert ist und du es nicht mehr geradebiegen kannst? Wenn selbst die Zeit, ein hilfloser Chirurg, deine Würde nicht mehr retten kann und in ihre Akte „Hoffnungsloser Fall“ notiert? Du bist nicht allein. Ich habe neulich festgestellt, dass ich ein Talent für grotesk peinliche Momente habe, ganz besonders im Bereich der interkulturellen Kommunikation und noch besser: Beim Kennenlernen in Kamerun! Heute möchte ich dich einladen, ein paar dieser Situationen nachzuerleben, in der Hoffnung, dass ich meinen Schmerz auf dich abladen kann, um dann wieder butterweich ins nächste Malheur zu treten. Bringen wir es hinter uns!
1. Situation
Die erste Situation ereignete sich auf meinem Arbeitsweg. Ich stieg wie üblich ins Sammeltaxi und presste ein gleichgültiges „Bonjour“ über meine Lippen. Eine junge Dame auf dem Beifahrersitz erkannte mich und warf mir daraufhin ein „Bonjour André“ zurück. Zwar konnte ich ihr Gesicht über den Rückspiegel erkennen, doch hatte ich keinen Schimmer, mit wem ich es hier zu tun hatte. Freundlich simulierte ich also unsere Bekanntschaft und informierte sie über meinen Zielort. Auf die Frage, wohin sie fahre, entgegnete mir nur merkwürdige Stille. Wenige hundert Meter vom Büro entfernt bemerkte ich dann einen Kollegen, der den Arbeitsweg per Fuß zurücklegte. Erleichtert stieg ich spontan aus dem Taxi um ihn auf den letzten Metern zu begleiten.
Umgehend berichtete ich meinem Kollegen von der eben erlebten Szene, die er mit schallendem Gelächter quittierte. Als wir schließlich an der Bürotür ankamen, bestätigte ich noch ein letztes Mal „Keine Ahnung, wer das war, aber auf keinen Fall eine Kollegin!“. In diesem Moment, natürlich, trat genau diese junge Dame ebenfalls durch die Bürotür. Die beiden begrüßten sich herzlich beim Namen und tauschten Floskeln aus wie „Schöne neue Perücke!“. Mich quittierte sie nur mit eisigem Blick und verschwand im Büro. Ich im Erdboden.
2. Situation
Nichtsahnend lief ich den Kreisverkehr Nlongkak auf der Suche nach einer Bar entlang, die das Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen Costa Rica zeigte. Es war schon dunkel und ein junger, sportlicher Mann, den ich auf meinem Weg kreuzte, sprach mich an. „Anton“ wiederholte er fordernd um mich zum Anhalten zu bringen. Da ich vor Kurzem an gleicher Stelle von einem Betrunkenen angemacht wurde, entgegnete ich dem Herrn nur „Nein, nicht Anton, ich heiße André“ und ging weiter.
Am nächsten Morgen traf ich mich mit meinen Kollegen zu einem niederländischen Sporttag. Was auch immer das sein soll, es war witzig und wir aßen mehr als wir Sport trieben. Die Gäste trudelten langsam ein und auch ein mir unbekannter junger, sportlicher Mann begrüßte mich. Ich erhob mich von meinem Stuhl und stellte mich höflich vor, woraufhin sich sein Gesicht verzog, als würde er gerade eine Kolanuss kauen. Er konfrontierte mich direkt mit der unangenehmen Situation. „Erinnerst du dich an gestern? Ich habe dich in Nlongkak angesprochen und du bist einfach weitergelaufen…“. „Öhm äh ja, na weil ich dich nicht kannte“ entgegnete ich erleichtert eine gute Ausrede gefunden zu haben. „Aber wir haben uns doch auch vorher schon bei einer Hochzeit in Douala unterhalten.“ „Ups. COME ON! Wann war das? Mitte Mai? Was haben wir jetzt? Ende Mai? Ja guuut…“
3. Situation
Die Schlimmste zum Schluss. Wir befinden uns auf meiner Home-Party im Januar 2023. Aus Sicherheitsgründen habe ich jeden Gast ausdrücklich darum gebeten, keinen mir unbekannten Anhang mitzubringen. Mit gutem Recht erwartete ich daher nur geladene Gäste. Gegen 21 Uhr klingelte es an der Tür. Es war mein Freund Günter* aus Kribi, den ich zusammen mit seiner im achten Monat schwangeren Frau eingeladen hatte. Und tatsächlich, da stand sie auch neben ihm: Klein und kugelrund. Ich begrüßte beide und bat sie in die Wohnung hinein. Im Flur stehend, wandte ich mich an die Dame und erkundete mich mit den Worten „Ist ja bald soweit?“ nach ihrem Zustand und zeigte dabei auf ihren Bauch. „Schon ganz schön rund“ fuhr ich aufgeregt fort. Über meinen Irrtum klärte sie mich direkt auf. Sie war die 0% schwangere Schwester von Günter.
Was mich bei all diesen Szene überraschte, war, wie gelassen die Betroffenen im Nachhinein mit der Situation umgegangen sind. Nur eine Person war für eine Stunde sauer, die anderen beiden hatten meinen Fauxpas nach einer Minute schon wieder vergessen. Ich glaube ich wäre da etwas sensibler. Und zu meiner Erleichterung berichtete mir ein Freund wenig später, dass auch Kameruner manchmal Europäer verwechseln. Alle mit Jeanshosen und Wadentatoos! Vor Kurzem habe ich es sogar zum ersten Mal geschafft, eine Kamerunerin wiederzuerkennen, die mich glatt vergessen hatte. Ein erstes Erfolgserlebnis. In diesem Sinne, bis zum nächsten Sonntag, dann endlich wieder mit einer Reisegeschichte!
*Name von Redaktion geändert

