Kamerun

Kribi – „La Belle“

Kribi ist vielleicht der einzige Ort Kameruns, an dem sich der aus dem Bilderbuch entnommene Mallorca-Tourist wohlfühlen würde. Jedoch nicht der Ballermann-, sondern eher der „Mallorca hat so viele andere schöne Ecken“-Tourist. So kommt es nicht überraschend, dass Kribi während der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert von Deutschen gegründet wurde. Auch wenn sich der Ort in all der Zeit nicht zum 17. Bundesland Deutschlands gemausert hat, so zieht er doch mehr als jeder andere ausländische Touristen nach Kamerun. Der Grund ist simpel, denn Kribi heißt am kilometerlangem Sandstrand bei Sonnenuntergang genüsslich Kokosnuss zu schlürfen. Wer sagt da schon nein?

Ich habe es für eine ziemlich lange Zeit versucht, was direkt gelogen ist, denn bisher war der Grund für mein Nichterscheinen eher dem sonst schon vollen Programm geschuldet. Doch wurde ich von meinen Kollegen gewarnt, dass ein einmaliger Besuch gleich mehrere weitere nach sich ziehen würde. Dieser Behauptung wollte ich nachgehen.

Mit dem Bus sind es je nach Verkehrsaufkommen und Fahrstil des Busfahrers vier bis acht Stunden Fahrtzeit. Der Fahrstil kann dabei ohne Übertreibung tatsächlich für mehr als eine Stunde Unterschied verantwortlich sein und ich war froh, sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückreise ein paar Minuten länger an den Zielort gebraucht zu haben. Dafür kam ich aber auch in ganzen Stücken an. Vielzählige Verkehrsunfälle gehören leider immer noch zum düsteren Teil des Kameruner Alltags.

Kribi ist eine Medaille mit zwei Seiten, das stellt man nicht nur als Olympionike fest. Einmal der Fischerort, mit immerhin mehr als 60,000 Einwohnern. Hier reihen sich an den wenigen Hauptachsen, die meist parallel zum Strand verlaufen, Kochstuben mit scharf gewürztem Fisch, Anlaufstellen für die vielen Mototaxis oder kleine Boutiquen mit Waren für den täglichen Bedarf. Wie immer gilt: Wer wühlt, gewinnt. Und wer sich nicht so gerne durch die vielen Krämerläden wühlen will, um endlich das gewünschte Produkt zu finden, der kennt bestenfalls jemanden, der sich bereits auskennt, oder leistet sich den teureren Supermarkt.

Egal in welche Richtung man fährt, irgendwie kommt man immer wieder am Strand heraus, was laut offizieller Kartographie der Umgebung eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Die vielleicht auffallendste innerörtliche Sehenswürdigkeit ist der alte Fischerhafen, an dessen Ader, dem Kienké Fluss, sich idyllisch eine Kirche, ein Fischmarkt und ein Standort des Schnelleinsatzkommandos schmiegt. Also aufpassen in welche Richtung man seine Kameralinse richtet. Laut Reiseführer gibt es hier sogar einen Leuchtturm, doch kann dieser nicht allzu groß sein. Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen und müsste doch eigentlich, wieder nach offizieller Kartographie, genau danebengestanden haben.

Wir hatten genug von der Stadt gesehen und wollten ins Hotel aufbrechen, welches laut…nah ihr wisst schon…, eigentlich direkt hier am Fluss liegen sollte. Komisch, denn geworben wurde mit direktem Zugang zum Meer. Ich hätte, wenn es gehen würde, Google Maps deinstalliert. Stattdessen richtete ich mich an den nächstbesten Motoman und fragte nach dem besagten Hotel, woraufhin dieser uns in jenes transportierte. Wie gewohnt, alle hinten drauf, auf ein Moped passen bis zu 5 Personen und zwei Kleinkinder.

Nun drehte sich die Medaille auf die andere Seite, welcher Kribi den Beinamen „La belle“ verdankt. Ein aus mehreren Rundbungalows mit Strohdächern bestehender Hotelkomplex mit überdachtem Essbereich im Freien, lädt zum Verweilen ein. Wenn die Boxen des Restaurants gerade keine Musik spielen, kann man sogar das Meeresrauschen recht deutlich hören. Es liegt schließlich nur 30 Meter vom Restaurant und 60 vom Bungalow entfernt.

Nachdem wir unsere Sachen in einem der Rundbungalows abgelegt hatten, zog es uns direkt wieder raus ans Ufer. Am frühen Nachmittag, so sollten wir noch lernen, bieten die Gezeiten dem geneigten Spaziergänger genug Raum für eine trockene Strandwanderung entlang der Palmenpromenade. Nagut, die Mehrzahl der Bäume waren Laubbäume. Funfact: Palmen sind keine Bäume.

Ein Blick hinaus aufs weite Blau offenbarte mir eine wie aus einem Taschenfeuerzeug ausgelöste Flamme, die mir über Kameruns Haupteinnahmequelle Bescheid gab: Petrolium. Doch nicht nur kamerunisches, sondern auch malisches Öl wird vor dieser Küste nach einem langen Weg durch eine inländischen Pipeline in Schiffe gepumpt und in alle Welt verschifft (Italien, China, Niederlande).

Als einer der wenigen Touristen, die nicht zum Studium internationaler Handelsbeziehungen wegen nach Kribi gereist ist, beschloss ich meinen Fokus lieber auf die mutigen Fischer zu werfen, die mit ihren wackeligen Pirogen den Angereisten täglich das romantische Küstenflair abrunden. Zumal sich die Sonne langsam sank und versuchte den Himmel mit allerlei warmen Farben zu bemalen, was ihr aufgrund der vielen Wolken allerdings nicht so recht gelingen sollte.

Es ist ein schöner Tagesablauf am Meer. Man wacht auf, isst einen Avocadosalat oder gewürzte Kidneybohnen mit Begneits (sowas wie Quarkkeulchen), putzt sich die Zähne (muss sein) und legt sich dann mit einem Buch auf eine Strandliege. Ob man sich schon in einem befindet oder nicht, ziemlich sicher kommt man hier und dort in ein weiteres Gespräch, welches nicht selten mit der Entscheidung heute eine Pirogentour zu machen endet.

Der Ablauf nach der Tour sieht genau gleich aus. Vielleicht springt man einmal ins Wasser oder gesellt sich zu den am späten Nachmittag spielenden Fussballern. Die Flut kündet das Spektakel des bevorstehenden Sonnenuntergangs an, und wenn sich der Himmel dann schwarz färbt sucht man sich ein Restaurant, um wenigstens einmal aus dem Haus gekommen zu sein.

Diese Routine wiederholt sich dann wunderbar öde tagtäglich. Ein paar erwähnenswerte Erlebnisse gab es dann aber doch. Wir saßen, in ein Gespräch vertieft, in einem Restaurant nahe den Lobé Wasserfällen, die direkt ins Meer münden. Ohne Vorwarnung stürmte der heitere Besitzer lautstark mitsamt Entourage und Whisky auf uns zu, erfragte kurz unser OK und schenkte uns daraufhin ein. Innerhalb von wenigen Sekunden nahm der Abend eine ganz andere Richtung, und zwar keineswegs eine, auf die man eher verzichten würde.

Unser Highlight war ganz sicher Doris, die kamerunische Spanischlehrerin, dank derer ich rausgefunden habe wozu rauchen gut ist: Karaoke. Mit Reibseisenstimme schmetterte die Dame im Barcelonatrickot eine Ballade nach der nächsten in unsere Gesichter und bewegte sich dabei wie es Leute tun, die ihrer Gesangsmelodie durch ihre Körperbewegungen Nachdruck verleihen möchten.

Das Mikro wurde selbstverständlich weitergereicht und wir ergänzten uns wirklich hervorragend. Erst sie, dann wieder ich, um das Niveau wieder auf Normalniveau zu senken, dann jemand anderes auf Normalniveau, dann meine Begleiterin im Legendenmodus. Egal wer sang, Doris hörte sich den Gesang aufmerksam an und gab, wenn nötig Ratschläge, oder sprang, wenn nicht, bis an die Decke. Nach einem Falsett oder irgendeiner anderen Gesangstechnik, deren Name schon so kompliziert klingt, dass ich sie niemals lernen würde, rannte sie energiegeladen aus dem Restaurant über den Steg bis hin zu den Wasserfällen. Ich hatte ernsthaft Angst, dass mir die gute Frau heute Abend noch etrinken würde. Glücklicherweise war ihre Begeisterung für das Gesungene dann doch stärker als der Drang ihrer mörderischen Freude Ausdruck zu verleihen. Was für ne Powerfrau!

Was noch? Die Pirogentour, die wir wahrscheinlich eher absolvierten, um sie nun mal gemacht zu haben, bot nicht so spektakuläre Naturspektakel, wie damals in Ebogo. Die vielspurige Autobahn hin zum neuen Hafen außerhalb der Stadt, muss den Fluss naturgemäß irgendwo überqueren. Wir verzichteten auf den Ausflug zu den Pygmäen, unser Interesse galt eher der örtlichen Sandindustrie. Immer wieder passierten wir Holzflöße mit zwei Arbeitern. Einer, hoffentlich derjenige, der von seinem Kollegen am Abend ein Bier spendiert kriegt, tauchte unentwegt mit einem Eimer hinab um diesen einmal durch den Bodensand zu fahren. Daraufhin zog der andere das Seil, an dem der Eimer befestigt war, hoch und schüttete ihn dann auf dem Floß aus. Über Rohre wurde der Sand dann ans Ufer gepumpt.

Eines anderen Tages fuhren wir mit einem Guide und einem abenteuerlichen Motoman („Mince, regarde la rue, ehh!“) fast eine halbe Stunden lang außerorts. An einer X-beliebigen Stellen hielten wir an, und liefen querfeldein ins Gestrüpp. Wer hier keine Angst vor der giftigen Mambaschlange bekam, ist noch keiner begegnet. Wenige Meter entfernt befand sich das Ufer und wir liefen über ein paar Monolithen hin zu einer Grotte.

In unwahrscheinlichster Art und Weise stapelten sich hier riesige Felsblöcke gerade so, dass sie nicht wie ein Kartenhaus ineinanderfielen. Nach kurzer Kletterei befanden wir uns innerhalb der Grotte, einer Einbuchtung oder Höhle, in der sich während des ersten Weltkrieges die Einheimischen vor dem maritimen Beschuss der Kolonialmächte verschanzten.

Wie so oft: Die Zeit ging zu schnell vorüber und wir saßen wieder im Bus nach Yaoundé. Ein Mitbringsel brachte ich ungeahnt auch noch mit nach Hause, sollte es aber erst zwei Wochen später erfahren: Malaria. Aber keine Sorge, mir geht es den Umständen entsprechend gut und immerhin konnte ich mich so ganz entspannt darum kümmern, den Blogeintrag, den ich auf die lange Bank geschoben habe, endlich zu veröffentlichen.

Nächstes Mal möchte ich euch, nach den wiederholten Reiseberichten, etwas mehr über meine persönlichen Eindrücke über Land und Leute schreiben. Ach…und hinsichtlich meiner Untersuchung in Kribi: Meine Kollegen hatten recht.

…pssst…die Seite hat jetzt auch einen Instagram-Account:

https://www.instagram.com/wohinnoch/

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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