Der Anfang vom Ende
Oh je. Jetzt ist es bald tatsächlich so weit. Es rückt immer näher. Das Ende. So wirklich bewusst geworden ist es mir letzte Woche, als mittwochs um 7:30 Uhr plötzlich die versammelte Elternschaft der dritten Klasse vor dem Klassenraum auftauchte.
Zum Ende eines jeden Halbjahres ist es in dieser Schule üblich, dass sich die Eltern einfinden, um zu begutachten, was ihre Zöglinge im Verlauf der letzten Monate so auf die Beine gestellt haben. Dafür bereiten die Lehrer unter immensem Stress für gewöhnlich große Projekte mit den Kindern auf, damit die Eltern auch ja stolz sind. Immer wieder stellt sich mir die Frage, weshalb es den Eltern möglich ist, so häufig morgens in der Schule aufzukreuzen und den halben Vormittag hier zu bleiben. Möglichkeiten dafür gibt es mehrere, ich glaube aber, am wahrscheinlichsten ist es, dass viele einfach eigene Unternehmen oder Geschäfte haben und ihr eigener Chef sind.
Gegliedert wurde die Präsentation in drei Teile, nämlich in Englisch, die Kunstwerkstatt und Spanisch. Die Kinder waren dafür aufgeteilt worden und so sahen sich die Eltern das jeweilige Projekt ihres Nachwuchses an. Da ich das Bienenprojekt aus dem Englischunterricht nur all zu gut kannte, entschied ich mich dazu, mir Spanisch anzugucken. Besonders beeindruckt hat mich ein Mädchen, dass ein ewig langes Gedicht aufsagte und mindestens fünf Minuten lang aus dem Gedächtnis rezitierte. Und zwar gut rezitierte. Lebhaft und abwechslungsreich.
Am Ende der Präsentation fassten die Eltern das Gesehene noch einmal zusammen und mir beantworteten sich einige Fragen. Einige Schüler beziehungsweise Schülerinnen scheinen exakte Kopien ihrer Erzeuger zu sein! Warum ist Schülerin A so verträumt? Weil ihr Vater genauso ist. Warum ist Schüler B so unlustig? Weil es sein Vater auch ist. Eine interessante Erkenntnis. Bleibt mir nur zu hoffen, keine so exakte Kopie zu sein. Augenzwinkern.
Neben dem Ende des Schuljahres rückt auch ein weiteres Großereignis immer näher und erfreut Schüler wie Lehrer. Die Fußball-Weltmeisterschaft. Ich habe mal meine Einschätzung zur Lage der Nation verfasst, um die Stimmung vor der am Donnerstag startenden Endrunde festzuhalten.
In Deutschland ist von einer machbaren Gruppe die Rede. Klar, jeder Gegner ist gut, nichtsdestotrotz aber auch schlagbar, besonders wenn man wieder Weltmeister werden möchte. Die Freude über ein so rasches Wiedersehen mit der deutschen Mannschaft hielt sich in Mexiko nach der Auslosung doch arg in Grenzen, zu präsent war und ist die doch deutliche Niederlage im Confedcup-Halbfinale in den Köpfen der Mexikaner. Wenn man schon gegen die C-Besetzung 4:1 verliert, was passiert denn bitte, wenn der Weltmeister seine erste Garde aufs Feld schickt?
Als Beleg dieser Sorge tauchen in den sozialen Netzwerken immer wieder Witze auf wie etwa die Beschreibung einer Spielszene nach diesem Schema: Fabián nimmt den Ball am Strafraumrand elegant runter. Geht am Verteidiger vorbei. Flanke ins Zentrum und TOOOOOOOOOOOOOOR FÜR MEXIKO! CHICHARITO MIT DEM FALLRÜCKZIEHER! WAS EIN TOR! Anschlusstreffer! 1:55!
Ein weiterer Grund für die sich in Grenzen haltende Freude ist die zumindest in bestimmten Kreisen vorhandene Unzufriedenheit mit Nationaltrainer Osorio. Die Punkte sammelte er zwar pflichtgemäß, aber die Spielweise begeistert nicht, reißt nicht mit. Anders als Miguel Herrera vor vier Jahren kann Osorio keine Euphorie entfachen. Die Hoffnung besteht darin, dass vor allem die Südkoreaner geschlagen werden und gegen Schweden mindestens ein Punkt mitgenommen wird.
Kritik gab es auch nicht zu knapp an den Nominierungen der Dos Santos Brüder, die in der MLS zuletzt keine Bäume ausgerissen, geschweige denn gespielt hätten. Oder auch die Einladung für den mittlerweile 39-Jährigen Rafael Marquez, zu seiner besten Zeit sogar Verteidiger des FC Barcelona, stieß einigen übel auf. Anerkennend richtet man den Blick wieder auf den vorläufigen Kader des ersten Gruppengegners, denn dort such man vergeblich nach einem Spieler, der sich in Rio für immer in die Annalen des deutschen Fußballs eintrug. Löw verzichtete darauf, Mario Götze in den Kader für die WM in Russland zu berufen.
Doch auch wenn viele behaupten, nicht an El Tri zu glauben, so ist die Vorfreude riesig. Mit Iker Casillas gelang es dem mexikanischen Fernsehen einen richtig prominenten und allseits beliebten Experten zu verpflichten, auf den besonders ich mich unglaublich freue. Allen voran Coca-Cola und Corona werben omnipräsent mit den Nationalspielern und rücken die WM dabei so sehr in den Vordergrund, dass man fast nicht wahrnimmt, was eigentlich beworben wird.
Ihre eigene Nationalmannschaft werten viele Mexikaner konsequent ab. Das eigene Team sei schlecht und könne niemals etwas erreichen. Dass man bereits zweimal die U-17 Weltmeisterschaft und 2012 mit vielen aktuellen Nationalspielern sogar Gold in London bei den Olympischen Spielen gewann, wird meist vergessen. Vor vier Jahren spielte man gegen Gastgeber Brasilien stark mit und musste sich gegen die Niederlande im Achtelfinale nur aufgrund eines sehr stark umstrittenen Elfmeters, der die Gemüter immer noch erhitzt, geschlagen geben.
Alles in allem stehen viele Mexikaner dem WM-Start gespalten gegenüber, da das Vertrauen in die eigene Mannschaft nicht übermäßig groß ist, doch auf der anderen Seite bedeuten die kommenden Wochen Fußball satt und die Freude überwiegt doch deutlich. Als Favorit wird fast immer Brasilien genannt.
Gemischte Gefühle trage auch ich in mir. Denn wie bereits geschrieben muss ich mich langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass sich meine Zeit hier dem Ende entgegen neigt. Einerseits hat das natürlich etwas Schönes, bald sehe ich so viele Menschen wieder und darf hoffentlich bald anfangen zu studieren, aber andererseits habe ich mich sehr gut eingelebt. Glücklicherweise bleiben mir ja noch einige Wochen, bevor ich meine Zelte dann abbreche.
Damit schließe ich für heute und sage bis zum nächsten Mal! Viele Grüße hinaus in die Welt!

