Mexiko

Schlafen

Jakob löst sich Höhe der Mittellinie vom Gegenspieler. Langer Ball in den Lauf. Er läuft alleine auf das Tor zu. Nur der Torwart steht ihm jetzt noch im Weg. Er legt sich den Ball auf den starken Rechten und schießt. Vom Innenpfosten springt der Ball zurück ins Feld. Wieder einmal hat er kläglich vergeben.

Zum Glück ist der Gegner nicht erschienen und es ist bloß ein Spielchen unseres Teams, das ein bisschen knödelt. Ärgerlich ist es deshalb, weil das Spiel kurz vor 22 Uhr angefangen hätte und ich doch ganz gerne schlafen würde. Trotzdem bin ich absolut glücklich, als ich mich nach dem Spiel die 40 Minuten nach Hause schleppe. Wie nötig ich den Schlaf jedoch habe, zeigen zwei kleine Zwischenfälle. Erst halte ich einen Pappaufsteller auf der gegenüberliegenden Straßenseite für eine Mittfreiwillige und ich brauche ganze 3 Sekunden, um mir darüber klar zu werden, dass sie erstens nicht in Mérida wohnt, sondern in Conkal, einem Dorf nahe Mérida, und zweitens wohl kaum mitten in der Nacht vor einer Tankstelle rumhängt. Später laufe ich dann fast in einen Busch rein. Keine Ahnung, was da genau mit mir los war. Meine Konsequenz daraus war der Kauf einer Flasche Cola für den Weg.

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Aber warum war ich so müde? Das Problem sehe ich in zwei Dingen begründet. Zum einen wäre da der öffentliche Nahverkehr, der mich zwingt, zu wirklich unmenschlichen Zeiten aufzustehen. Zum anderen, und das bedingt den ersten Grund unmittelbar, beginnt auch die Schule zu einer unmenschlichen Zeit. Um 7 Uhr fängt der Unterricht der Secundaria an, immerhin eine halbe Stunde später startet der Unterricht der Primaria, also der Grundschule. Dass auch die tägliche Hitze ihren Teil zu meiner Müdigkeit beiträgt, sollte nicht verwundern. Während ich der Sonne so gut wie möglich ausweiche, um nicht gegrillt zu werden, tun einige Mexikaner etwas, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Sie tragen Pullover. Bei 33°C. Im Schatten. Lustigerweise ist es den meisten Schülern in den Klassenräumen jedoch zu warm, weshalb ich in den Räumen schockgefrostet werde. Die Klimaanlage wird gerne so kühl geschaltet, dass ich schon fast gezwungen bin, meinen Pullover zu tragen.

Letzte Woche war ich im Kino. Ich habe „Es“ gesehen und über den Film möchte ich mich hier gar nicht groß äußern, vielmehr will ich vom drum herumerzählen. Vorneweg nur so viel: Ich habe gezittert, was aber nicht am Film lag. Erst einmal kommt mir als Berliner der Preis unheimlich günstig vor. Für weniger als zwei Euro bekam ich die Eintrittskarte und für nicht einmal weitere fünf Euro stattete ich mich mit einem wirklich großen Popcorn und einem Liter Cola aus. Der Vorführungssaal war groß, größer als die Säle am Alexanderplatz. Wenn du wartend in Mexiko im Kino sitzt, was erwartest du dann für Musik? Reggaeton, spanischsprachigen Pop oder zumindest die Abfälle der US-amerikanischen Musikindustrie. So, und was hörte ich? Genau, es lief Nenas „99 Luftballons“. Sehr schön, nicht mal hier kann ich mich dem entziehen. An dieser Stelle liebe Grüße an meine Schlagerfreunde! Warum ich auf die Idee kam, an dieser Stelle über das Kino zu schreiben, war und ist aber ein anderer. Nämlich der Umstand, dass die eisigen Winde Hoths nicht kälter sein können, als die Klimaanlage im Kino. Damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet und war nur mit T-Shirt, kurzer Hose und Sandalen bekleidet kurz davor gewesen, als Eisblock zu enden. Ganz ehrlich, wer ahnt denn auch, dass es bei über 30°C Außentemperatur in einem Kino derart kalt sein kann. Zuhause wurde ich anschließend ausgelacht.

Um zurück zum Thema heute, dem Schlaf, zu kommen: Mittlerweile verbringe ich einen Teil meiner Nachmittage schlafend oder zumindest schlummernd in meinem Bettchen, weil ich den Tag bis zum Abend gar nicht durchstehen würde. Eine Folge, die dies nach sich zieht, ist, dass es mir schwerfällt, die Freitagabende tatsächlich zu nutzen, da ich tragischerweise meist viel zu müde bin. Irgendwie muss ich mir eine Lösung für dieses Problem überlegen. Nicht vorenthalten möchte ich euch, dass ich ursprünglich die Idee hatte, den Text mit den Worten: „Ok der Text beginnt und er bekommt ein Thema. Und das Thema heute, es heißt Schlaf“, zu beginnen. Wir können alle froh sein, dass ich das nicht getan habe.

Was ist noch passiert? Ich habe einen Stierkampf gesehen. Jedes Dorf feiert hier einmal im Jahr, und zwar für mehr als eine ganze Woche. Auf dem Hauptplatz des Dorfes wird aus Holz eine kleine Arena errichtet, in der unter anderem Stierkämpfe stattfinden. Drumherum kann man allerlei Essen kaufen. Und es gibt Alkohol, viel Alkohol. Wenn ich die Erzählungen richtig verstanden habe, wird in dieser Woche durchgesoffen, und da die umliegenden Dörfer nicht weit weg sind, gibt es diese Wochen nicht nur einmal, sondern drei bis vier Mal im Jahr. Der Kampf an sich war nicht besonders spektakulär. Der Stier hatte nicht so wirklich Lust und attackierte die roten Tücher nur halbherzig, bis um die dreißig Reiter in die Arena einfielen und mit Lassos versuchten, den Stier einzufangen, was ihnen nach zwei Minuten auch gelang. Das Ganze wiederholte sich noch ein paar Mal und dann hatte ich kein Interesse mehr daran, mir das sogenannte Schauspiel anzugucken. Immerhin wurde der Stier nicht getötet. Er muss ja für die ganze Woche reichen.

Joar, das war´s auch schon wieder von mir. Bleibt eigentlich nur, mich zu verabschieden und Grüße nach Berlin, Falkensee und in die restliche Welt hinauszusenden! Das Spielchen, von dem ich eingangs erzählte, hat mein Team im Übrigen trotz meiner Abschlussschwäche gewonnen.

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