Mein kleines WM-Update
Es ist also wirklich geschehen. Während in der deutschen Medienlandschaft der Weltuntergang oder zumindest der Untergang des deutschen Fußballs, was an sich ja eigentlich doch recht ähnlich ist, heraufbeschworen wird, befindet sich Mexiko im Freudenrausch.
Zum Spiel ist wohl bereits alles gesagt und geschrieben worden. Die Mannschaft spielte freud- und lustlos, nahm den Kampf, zu dem die Mexikaner aufforderten, nicht an. Am Ende stand ein vollkommen verdienter Auftaktsieg von El Tri. Ich sah das Spiel bei mir zuhause mit meiner Gastfamilie, alle trugen das Trikot der Selección, einschließlich meiner Wenigkeit. Vor dem Spiel wurde mir gedroht, meine verbleibende Zeit bei den Autos schlafen und mich vom Rasen im Garten ernähren zu dürfen, sodass ich neben meiner sowieso bestehenden Zuneigung für die mexikanische Mannschaft einen weiteren Grund hatte, der Sensation entgegenzufiebern.
Als dann das Tor fiel, kannte die Freude keine Grenzen. Man sah dem Torschützen die Emotionen an, fast wären ihm die Tränen gekommen. In Mexiko-City soll Gerüchten zufolge sogar die Erde aufgrund der rhythmischen Sprünge der Fans beim Public-Viewing gewackelt haben. Und so sprachen die Kommentatoren die letzten 20 Minuten über nichts anderes mehr, als darüber, wie historisch dieser Moment und dieser Sieg, dieser wichtigste Sieg in der Geschichte Mexikos, sei. Oder viel mehr, sie schrien es heraus.
Danach ging es für uns zum gemeinsamen Grillen mit der Familie und natürlich gab es auch nur ein wirklich großes Thema. Den Sieg über Deutschland, den Sieg über mich. Dass ich besonders einigen Funktionären des DFB diese Niederlage von Herzen gönne, interessierte nicht, ich als Deutscher hatte gefälligst zu leiden! Die Stimmung war ausgesprochen freudig. Wir aßen Arrachera und ich probierte erstmals Picanha, einen typisch brasilianischen Schnitt. Es war ausgesprochen lecker!
Auf Montag hatte ich dann ehrlich gesagt überhaupt keine Lust. Während ich nach einem verlorenen Leverkusenspiel wenigstens tatsächlich emotional betroffen fühle, musste ich mich gestern für ein Team rechtfertigen, zu dem ich eigentlich keine Beziehung habe und relativ schnell merkten diejenigen, die mich mobben wollten, dass es relativ witzlos ist, jemanden mit etwas aufzuziehen, dass ihn nicht ärgert. Gesprächsthema Nummer eins war es natürlich trotzdem. Während des Sportunterrichts versuchten dann einige Schüler, das Tor so originalgetreu wie möglich nachzustellen. Den Gruppensieg hat Mexiko nach Ansicht der Einheimischen mittlerweile sicher.
So, das war meine kleine Wasserstandsmeldung aus Mexiko, meine Vorfreude auf Samstag ist riesig. Es interessiert mich brennend, wie das Team um den Bundes-Jogi jetzt reagiert und ob Mexiko tatsächlich einfach so bis zum Titel durchmaschiert. Viele Grüße aus Mérida!

