Winterwonderland
Es zwitschern die Vögel. Es scheint die Sonne am strahlend blauen Himmel und jeder, der sich unter ihr körperlich betätigt, ist rasend schnell pitsche-patsche-nass. Menschen laufen fast grundsätzlich kurzärmelig rum und tragen des Öfteren Sonnenbrillen. Wer die Wahl hat, wählt den Schatten. Und aus dem Radio tönt Last Christmas. Kurzum: Es ist so richtig weihnachtlich.
Es ist so weihnachtlich, dass ich heute erst mitbekommen habe, dass Sonntag bereits der erste Advent war. Aus Deutschland habe ich mittlerweile mehrfach erzählt bekommen, dass sich diverse Personen schon total im Weihnachtsfieber befänden, was ich so für mich überhaupt nicht bestätigen kann. Alles, was ich persönlich mit Weihnachtszeit verbinde, fehlt hier.
Es ist weder kalt, noch wird es um vier Uhr dunkel. Natürlich könnte ich mich mit einer heißen Schokolade irgendwo gemütlich hinpflanzen, die Hitze allerdings würde die Gemütlichkeit beeinträchtigen. Logischerweise gibt es keine handgemachte Dekoration aus dem Erzgebirge, von Dresdner Christstollen und Marzipankartoffeln ganz zu schweigen. Das ist alles auch nicht weiter tragisch, nur in festliche Stimmung weiß mich der Ami-Kitsch, der hier dominiert, gewiss nicht zu versetzen.
Ich hatte gehofft, mich durch das Hören von Weihnachtsliedern in eine Vorweihnachtsfreude versetzen zu können, muss aber gestehen, dass ich die Version eines sehr bekannten Liedes von einer noch bekannteren deutschen Schlagersängerin derart grausig fand, dass ich den Versuch direkt wieder abgebrochen habe. Bleibt meine Stimmung eben sommerlich, auch nicht schlimm.
Man muss zugestehen, dass die in der Stadt aufgestellten Eisbären, Pinguine, Schneeflocken und Schlitten gut gemeint sind, aber im Kontext des Klimas auf mich absolut lächerlich wirken. Trotzdem ganz nett, mal Schneeflocken unter Palmen zu sehen.
Als ich letzte Woche im Zentrum war, fiel mir auf, wie unglaublich viele Tauben unterwegs waren. Mehr als sonst, soviel ist sicher. Jedenfalls schlenderte ich vollkommen selig über die Plaza Grande im Herzen der Stadt, dabei trank ich immer wieder ein Schlückchen vom definitiv zu süßen Kokoswasser, das ich so eben erworben hatte. Über mir nur der blaue Himmel und gelegentlich mal ein paar Äste, als plötzlich irgendwas Nasses auf mich niederprasselte. Verwundert blieb ich stehen. Ich dachte, der Himmel wäre blau? Kurzer Blick nach oben. Himmel war blau. Komisch. Blick wandert wieder nach oben. Langsam drehe ich mich um. Gucken mich drei Tauben von einem Ast aus an, unter dem ich eben noch gestanden hatte. Nachdem ich mich fertig geekelt und mein Wasser weggeschmissen habe, die Flasche war offen und diese fliegenden Ratten hatten Zielsicherheit bewiesen, musste ich anerkennen, was für eine koordinatorische Meisterleistung diesen, im wahrsten Sinne, Scheißviechern da gelungen war. Dass ein Vogel über einem harmlosen Passanten sein Geschäft verrichtet, kommt vor, aber, dass dies dreien auf einmal gelingt? Respekt. Und bevor Fragen aufkommen: Bei der Menge, die da runterkam, müssen das alle drei gewesen sein, da bin ich mir mehr als nur sicher.
So, noch ein letzter Gedanke zum Thema Gendern. Wenn alle maskulinen Berufsbezeichnungen etc. auch eine feminine Form brauchen, damit Sprache nicht diskriminiert, wäre es dann im Gegenzug nicht folgerichtig, dass der Deutsche auch seine Pluralbildung noch einmal überdenkt? Schließlich wird ausnahmslos jeder Plural mit die gebildet, meines Wissens bestimmter Artikel und eindeutig feminin. Also ich weiß nicht wie es euch geht, aber fühle mich diskriminiert. Zumindest wenn man von mir im Plural spricht.
Damit wünsche ich allen eine frohe und besinnliche Adventszeit! Viele Grüße aus dem Winterwonderland Mérida!


6 Comments
Steffen Hamann
Lieber diskriminierter Jakob. Es tut mir sehr leid für Dich, dass Du ich so fühlen musst. Aber ich verstehe Deine Aussage ehrlich gesagt nicht.
Die Deutsche Sprache bietet ja auch die Möglichkeit, den Plural in einer männlichen Ausprägung zu bilden. Also wenn von Dir in der Einzahl die Rede ist, bist Du der Jakob. Im Plural männlich wirst Du der Deutsche. Also der, der Hunde und Katzen liebt, der gerne Bratwurst isst und sich im Ausland immer zurückhaltend und freundlich verhält, der Fan von Bayern München usw. usf.
Gruß aus Berlin
Jakob
Soweit ich das erkennen kann, steht „der Deutsche“ aber immer noch im Singular. Oder verstehe ich deinen Witz nur einfach nicht?
Steffen Hamann
Es ist nicht immer das, wonach es aussieht. Nur weil es wie Singular aussieht, muss noch lange nicht Singular drin sein. Ganz Objektiv wird hier der männliche Plural adressiert, wenn man von dem Deutschen redet. Das kannst Du nun akzeptieren oder eine Selbsthilfegruppe gründen. Etwas dazwischen ist schwer möglich …. 🙂
Steffen Hamann
Kannst Du meinen legasthenischen Tippfehler eigentlich noch korrigieren?
Jakob
Ich könnte, wenn ich wollte. Auf dieser Seite bin ich der Schöpfer. Muhahaha.
Abgesehen davon handelt es sich bei „der Deutsche“ um einen generalisierenden Singular, und der bezieht sich zwar auf eine Personengruppe, steht aber trotzdem im Singular. Ist aber auch egal, eigentlich habe ich gar keine Lust, darüber zu diskutieren. 🙂
André
Man, man, man, der Blog wird mir zu intellektuell 😀