Mexiko

Wahlpropaganda und Respekt

Ein kleines Kind singt in einer traditionell anmutenden Tracht davon, dass die Zukunft in den Händen der orangen, der bürgerlichen Bewegung liege. Am Ende des kurzen Spots fliegt ein weißer animierter Adler vor einem orangen Hintergrund ins Bild, eine weiße Schrift verkündet Movimiento Ciudadano. Wie man sich bereits denken kann, handelt es sich um einen TV-Werbespot, der mit unveränderter Tonspur übrigens genauso, nur ohne Bild, auch im Radio läuft. Im Sommer finden in Mexiko Präsidentschaftswahlen statt und so sind die Medien schon fast überflutet von Parteiwerbung, die alle um die Gunst der Wähler buhlen oder seitens des Staates dazu auffordern, an den Wahlen teilzunehmen. Movimiento Naranja sticht jedoch hinaus, es ist ein Phänomen.

Innerhalb kürzester Zeit hat das Lied eine unglaubliche Popularität erlangt, überall wo man hingeht singt es irgendwer, sowohl Kinder als auch Erwachsene haben das Lied ständig auf den Lippen. Sobald jemand orange Kleidung trägt, dauert es auch nicht lange, bis die Frage kommt, ob man Mitglied des Movimiento Naranja sei. Ein Gefühl, das ich nicht loswerde, ist, dass die meisten Menschen dieses Lied nur aufgrund seines Ohrwurmfaktors vor sich hinsingen und vollkommen unreflektiert damit umgehen.

Auf Facebook sah ich unlängst Movimiento Naranja in 13 verschiedenen Musikstilen, sogar neulich im Club wurde das Lied gespielt, nachdem es lautstark gefordert worden war. Die Menge rastete komplett aus. Und irgendwo in einem dunklen Büro sitzt ein fies grinsender Wahlkampfmanager, der sich selbst auf die Schulter klopft. Ohne über das urteilen zu möchten, wofür diese politische Bewegung steht oder zumindest vorgibt, hat es für mich einen unglaublich faden Beigeschmack, da es im Endeffekt doch nichts anderes als eiskalt berechnete Wahlpropaganda ist.

So, das wollte ich mir von der Seele schreiben und nun kann ich mich auch anderen Themen zuwenden. In letzter Zeit ist mir immer häufiger aufgefallen, dass es für mich gravierende Unterschiede in der Benutzung der Vor- und Nachnamen, zumindest in Mérida, im Vergleich zu Deutschland gibt. Die geläufige Form für mich ist es, dass Menschen, die man nicht kennt oder zu denen man keinerlei persönliches oder nur ein professionelles Verhältnis hat, sofern es sich nicht um Kinder handelt, gesiezt und mit dem Nachnamen angesprochen werden, dazu kommt dann noch das formelle Frau oder Herr. Spricht man dich nur mit dem Nachnamen an, fühlst du dich respektlos behandelt. Geduzt wird man von näher Vertrauten.

Anders sieht es hier aus. Grundsätzlich wird deutlich mehr geduzt. Die höfliche Form des usted wird häufig nur einseitig benutzt, der Höhergestellte duzt in der Regel auch weiterhin. Sehr viele werden nur mit Nachnamen angesprochen, was aber stets freundlich gemeint ist und damit das genaue Gegenteil zu dem, wie ich es bisher kannte. Und auch der Vorname ist nichts Privates, nicht selten werden zum Beispiel in den Schulen die Lehrer prinzipiell mit dem Vornamen angesprochen oder beim Fußballschauen hört man die Kommentatoren die Spieler beim Vornamen nennen. Ein weiterer Unterschied ist, dass besonders jüngere Menschen sich angegriffen fühlen, wenn man sie als Señor oder Señora anspricht, da diese Ansprache doch eher für bereits ältere Menschen reserviert ist.

Auch all dies ist sicherlich ein Grund, warum die Deutschen der Ruf einer eisigen und distanzierten Kultur umweht. Ich muss jedoch gestehen, dass ich keinerlei Probleme habe, jemandem nur die Hand zu geben. Eher im Gegenteil, eins meiner größten Probleme ist, dass ich selten weiß, wie ich eine ältere Dame zu begrüßen und zu verabschieden habe, da die meisten unterschiedlich weit gehen. Einige lassen sich auf die Wangen küssen, andere ziehen einen lediglich an ihre Wange ran und wieder andere wollen es auch anders haben. Deshalb grüße ich deutlich lieber Männer, da ist es nicht annähernd so kompliziert. Da wird die Hand gegeben und gut ist.

Damit verabschiede ich mich für heute wieder, in Gedanken reiche ich allen die Hand! Viele Grüße aus Mérida und bis bald!

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