Mexiko

Die deutscheste Feier des Jahres

Ich war auf der deutschesten Feier des Jahres! Zumindest, wenn ich der Werbung im Bus glauben darf. Aber seien wir mal ehrlich, was gibt es vertrauenswürdigeres als einen Werbespot im Bus, an dessen Ende das Logo einen schwarz-rot-goldenen Schnauzer trägt? Und weil ich ein guter Deutscher bin, war ich nicht ein, sondern zwei Mal da.

Bereits in meiner ersten Woche hier in Mérida, wurde ich von meiner Gastfamilie gefragt, ob ich denn auch meine Tracht dabei habe, damit wir möglichst authentisch das Oktoberfest feiern könnten. Erst war ich verwundert und ließ mir erklären, dass einmal jährlich das Oktoberfest hier gefeiert würde, wie der Name es vermuten lässt nämlich Mitte Oktober. Damit unterscheidet es sich direkt vom Original. Dann war es an meiner Familie, verwundert zu sein, schließlich hatte ich tatsächlich noch nie das Oktoberfest besucht. Und das als Deutscher! Meine Erklärungen, dass es den bayrischen Exportschlager in Berlin zwar gebe, aber besonders in meinem Bekanntenkreis doch eher einen geringeren Stellenwert einnehme, wurde zumindest zur Kenntnis genommen.

Erklären ließ sich das dann ein wenig später wie folgt. Vergleichbar ist das Klischee des Lederhosen-tragenden Deutschen mit dem des Sombrero-tragenden Mexikaners, der auf einem Esel durch die Wüste in Richtung seiner Mariachi-Band reitet. Genauso wie in Deutschland Tracht und Dirndl eher im Land des Alpenvölkchens zu finden sind, kann ich in Yucatán wohl lange nach Menschen suchen, die dieses Klischee ohne touristischen Hintergrund erfüllen.

Der Veranstaltungsort war eine große Sportanlage. Am ehesten lässt es sich meiner Meinung nach als Turnhalle ohne Seitenwände beschreiben, was die Vorteile vereint, an der frischen Luft zu sein und gleichzeitig durch ein Dach vor Regen geschützt zu sein. Am Samstagabend ging ich mit zwei Mitfreiwilligen hin, eine ebenfalls aus dem Raum Berlin und einem aus der Nähe von Kaiserslautern. Bereits als wir draußen warteten, tönte uns das schönste, was die deutsche Musik zu bieten hat, entgegen: Blasmusik. Fühlte ich mich direkt heimisch.

Gegenüber des Eingangs war eine Bühne aufgebaut, auf der abwechselnd eine Blaskapelle ihr unglaubliches Repertoire von drei Liedern zum Besten gab, Mexikaner in Trachten und Dirndl tanzten und ein älterer Mann laut „Hasta la vista“ schrie. In den kurzen Pausen zwischen den Auftritten lief dann wahlweise weitere Blasmusik, das Fliegerlied (Heut ist so ein schöner Tag…) oder eine spanische Version von Gangam Style, in der im Refrain anstatt des herkömmlichen Textes „Oktoberfest“ gesungen wurde. Umrandet wurden die Bierbänke auf der Sportfläche von Essens- und Bierständen, an denen deutsche Restaurants aus Mérida ihre Speisen und deutsches Bier verkauften. Zu kaufen waren die Biermarken Spaten, Löwenbräu, Franziskaner Weißbier und das bayrischste aller Biere: Becks. Was ich etwas vermisste, war der Anblick einer Maß. Damit hatte ich fest gerechnet.

Wir tranken ein oder zwei Bier, liefen ein wenig umher und nach drei Stunden reichte es dann auch wieder. Mittlerweile nervte die Musik mich doch etwas und mein Schnitzel war leider nur mittelmäßig. Der große Unterschied zum Original ist, dass das mexikanische Oktoberfest in erster Linie ein Familienfest ist. Dementsprechend kehrte ich am nächsten Tag zurück, diesmal mit meiner Gastfamilie. Das sonntägliche Essen mit den Großeltern verlegten wir dorthin. Mein Schweinebraten war ausgezeichnet, auch der Apfelstrudel war in Ordnung und die Haxe sah wirklich sehr gut aus. Die Bratwürste kamen bei meiner Familie sehr gut an und die Deutschlehrerin, mit der ich mich etwas später dort mit einigen unserer Schüler traf, bestätigte das, obwohl sie hinterherschob, dass es sich nicht wirklich um Bratwürste handeln würde.

Ich freute mich sehr darüber, dass mir von meiner Familie ein T-Shirt als Andenken geschenkt wurde. Leider steht da nur „Oktoberfest“ drauf und nirgendwo findet sich ein Vermerk, dass es aus Mérida stammt, aber man kann ja nicht alles haben. Immerhin habe ich einen Weg gefunden, meine Fußmärsche zum Bus und vom Bus nach Hause erträglicher zu Gestalten. Ich frage mich auch, warum ich da nicht schon früher draufgekommen bin. Hörbücher gibt es ja nicht erst seit gestern. Jedenfalls höre ich jetzt jeden Tag begeistert die sogenannten Islandkrimis von Yrsa Sigurðardóttir, die fantastisch von Christiane Marx vorgelesen werden. Was ein genialer Themenwechsel.

Damit sende ich meine Grüße wieder hinaus in die Welt, bis bald.

2 Comments

  • Jürgen Hamann

    Wie wäre es, nach einer spanischen Hörbuchfassung des gleichen Islandkrimis zu suchen und sich das Ganze noch einmal genüßlich in der neuen Sprache vorlesen zu lassen? Schnapsidee?

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