Frankreich

Gegen Wind und Wetter

Die Jalousien öffnen sich und hinein scheint die Sonne. Den Himmel zieren nur dünne, streifenförmige Wolken, deren Namen nur mein Vater kennen würde. Draußen ist es zwar immer noch sehr kalt, doch das hindert die Busse heute nicht am Fahren. Noch bevor ich meine Tour zum Cap Griz Nez starte, besteige ich den Leuchtturm direkt neben meiner Unterkunft, in der Nähe des Hafens von Calais. Zusammen mit einem sich sehr in der Gegend auskennenden Leuchtturmmitarbeiter und einem Schweizer Pärchen erklimme ich die zweihundertund…waren es fünf? Stufen des Leuchtturms.

Oben angekommen hat man eine schöne Sicht und ist sogar etwas höher als wenn man auf das Rathaus steigt. Zwar ist das Rathaus als Gebäude höher als der Turm, jedoch befindet sich der Turm auf einer kleinen natürlichen Erhebung, die ausreicht um ihn zum höchsten begehbaren Punkt der Umgebung zu machen. Der von mir gestern erwähnte englische Baustil mit den roten Backsteinen existiert übrigens in Wahrheit gar nicht! Es ist eigentlich ein typisch flämischer Baustil! Ohne zu ahnen, was heute noch auf mich zukommen wird, finde ich, dass der Wind hier oben ganz schön saust und so gehen wir die Stufen wieder hinunter.

Langsam aber sicher begebe ich mich zum Busbahnhof. Kurz erschrecke ich mich, weil ich feststelle, dass der nächste Bus wohl nicht wie geplant in dreißig Minuten sondern in vier Stunden abfährt. Zum Glück nur ein Irrtum und dem Fakt geschuldet, dass ich erst einmal Panik schiebe bevor ich alles gründlich durchlese. Für einen schlappen Euro bringt mich die anscheinend einzige Busfahrerin dieser Linie zum Ausgangspunkt meiner Wanderung: Audresselles. Kaum bin ich angekommen, zieht sich der Himmel auch schon zu. Wie auf der Karte verzeichnet gibt es einen wunderschönen Wanderweg, der mich bis zum Kap bringen wird.

Kaum habe ich die erste Anhöhe erklommen, will ich schon die Tür zu machen – so zieht es! Der Wind zieht mir ständig die ausgeleierte Mütze entweder über die Augen oder fast vom Kopf. Die Landschaft aber entschädigt mich für die harten Küstenbedingungen. Zwar erscheint, jetzt wo die Sonne weg ist, alles in einem gräulicheren Ton, dennoch schauen die Orte am Meer, zwischen den Klippen wunderschön aus.

Gerade als mich ein paar Jogger in Regenjacken überholen, fängt es an zu nieseln. Den gesamten Tag wird es damit auch nicht aufhören. Gepaart mit dem immer stärker werdenden Wind, wird das Wandern langsam unangenehmer. Als ich am Cap Griz Nez ankomme weht so ein Wind, dass ich befürchte jeden Moment wegzufliegen. Beim Abdrücken der Fotos fühle ich mich wie ein keuchender Biathlet am Schießstand: „Anvisieren, zielen, ruhig halten, kurz den Atem anhalten und: Schuss! Mist, schon wieder schräg. Drei Strafrunden.“

Ich schaffe es nicht einmal eine kurze Essenspause einzulegen, da es nicht viele Orte gibt, an denen der Wind nicht mein Käse-Salami Sandwich den Möwen zum Fraß entgegenwirft. Und da wo es windstill ist, ist es immer noch nass und unbequem. Immer kürzer halte ich an den gebauten Aussichtspunkten an. England kann man mittlerweile auch nicht mehr sehen. Hier, direkt am Cap Griz Nez wurden schon einmal Windstärken von über 150km/h gemessen und heute, da das Windmessgerät nicht funktioniert, nehme ich an, dass wir von der besagten Geschwindigkeit nicht mehr weit entfernt sind.

Um an meinem Ziel Wissant anzukommen muss ich noch weitere Kilometer am Strand zurücklegen, wo der Wind glücklicherweise etwas ruhiger weht. Fix und fertig steige ich in meinen Bus zurück nach Calais. Wieder begegnet mir die gleiche Busfahrerin, die mich fragt, ob ich in Calais bis zur Endstation oder bis zum Theater fahre. Warum das so wichtig ist frage ich mich, schließlich kostet die Fahrt genauso wie vorhin genau einen Euro, obwohl der Weg dieses Mal fast um die Hälfte kürzer ist. Beschweren will ich mich nicht. Mein Plan für morgen ist, dass ich in die Stadt Lille fahren werde, die auch schon meine letzte Station in Nordfrankreich sein wird.

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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