Babybesuch und Dicke Luft in Douala
Meine letzte Reise nach Douala liegt mittlerweile mehr als ein Jahr zurück. Damals war es die Hochzeit meiner ehemaligen Mitbewohnerin, die mich in die Riesenmetropole am Atlantik lockte. Und auch dieses Mal stieg ich an einem Freitagnachmittag ihretwegen in den Zug. Nun war sie aber nicht mehr meine Mitbewohnerin, sondern stolze Mutter eines Kindes. Nur um es klarzustellen: Zwischen den beiden Tatsachen gibt es keinen Zusammenhang. Und trotzdem hatte ich natürlich allen Grund, sie nun, drei Wochen nach der Geburt zu besuchen.



Im Zug nach Douala
Mit Douala ist das so eine Sache. Noch während der Zug durch die Vororte tuckerte, wies uns das Personal unbegründet an die Vorhänge zu schließen. Das ist eine der vielen Dinge in diesem Land, die man einfach besser macht, ohne viel zu hinterfragen. Ist man dann endlich angekommen und wagt einen Schritt aus der Waggontür, sieht man sich einer schwabbeligen Luftmasse gegenüber, die einen zurück in den Zug drängen möchte. Der Vorteil des hungrigen Fahrgastes: Nach drei Atemzügen in Douala ist man satt. Der Nachteil: Man kann nie mit dem „Essen“ aufhören. Irgendwann überkommt einen also ein Gefühl der Übelkeit, von welchem man sich erst dann befreien kann, wenn man die Stadt hinter sich lässt.
„August, das ist der angenehmste Monat im Jahr…“, verlautbarte Bertrand*, der frische Papa, als er mich im Auto vom Bahnhof nach Hause fuhr. „Doch die Weihnachtsdeko haben sie immer noch nicht abgenommen“ beendete er schließlich schmunzelnd seinen Satz über die grün-gelb-rot blinkenden Lichter, an denen er an jeder Kreuzung ungeachtet der Farbe vorbeifuhr.
Wir schlängelten uns eine ganze Weile durch die Großstadt. Fast vermutete ich uns schon auf der Straße Richtung Yaoundé, als wir schließlich doch noch in Nkolmbong, einem Außenbezirk Doualas ankamen. Glücklicherweise sind Neugeborene noch nicht so bieder wie ihre Erwachsenen Vorbilder und so mussten wir uns aufgrund unserer verspäteten Ankunft bis auf ein paar sabberigen Glucksern keinerlei Kritik anhören. Vielmehr war ich es, der ziemlich bald nach den ersten fröhlichen Begrüßungen den Rückzug ins eigene Zimmer antrat.

Regen in Douala
Der nächste Tag weckte mich dann mit Regen – keine Seltenheit. Während der Niederschlag in Yaoundé örtlich und zeitlich begrenzt ist, kann es in Douala drei Tage ohne Unterbrechung schütten. Zeit also für ein ausgedehntes Frühstück. Es gab Omelettes mit Baguettes, Avocados und einen Fruchtteller mit Ananas, Papaya und Orangen. Durch die Fenster beobachtete ich, wie sich die Bewohner an die regelmäßigen Regenfälle angepasst haben. Die Motomänner, zum Beispiel haben ihre Vehikel mit passend geschnittenen Regenschirmen versehen. Und die Marktfrauen bringen ihr Hab und Gut in wenigen Sekunden in trockene Gefilde.

Im Vergnügungspark
Zum Glück hörte der Regen schnell auf. Ich nutzte also die Gelegenheit und fuhr mit Maren, Bertrand und seiner Tochter aus erster Ehe auf einen Vergnügungspark. Das zwei Wochen alte Neugeborene blieb derweil mit der Großtante zuhause. In der Tat ist das nichts Ungewöhnliches. Erziehung ist in Kamerun Familiensache. Und Familie ein sehr dehnbarer Begriff. Dementsprechend findet sich immer jemand – Oma, Schulfreund, Nachbar – der sich für einen Abend oder sogar über mehrere Monate um ein Kind kümmert. Entschädigt wird oft mit freier Unterkunft und Verpflegung. So kann es passieren, dass man überhaupt nicht mitbekommt, dass einige Kolleginnen und noch wahrscheinlicher die Kollegen überhaupt ein Kind haben. Sie arbeiten Vollzeit, gehen in Bars, verreisen. Schwer vorstellbar in unserem recht engen Erziehungs-Kontext.



Wie ich also schon sagte, verbrachten wir den Nachmittag in einem Erlebnispark. Von einem Freifallturm übers Kletterparadies bis hin zum Virtual Reality Raum: Die Veranstalter taten alles, um ihre minderjährigen Besucher glücklich zu stimmen. Da war nur dieser eine Mitarbeiter, der jedem Kind so penetrant einen Luftballon vor die Nase drückte, dass diese gewöhnlich anfingen zu weinen.
Ich persönlich habe alle Aktivitäten, die irgendetwas mit Adrenalin zu tun hatten freundlich abgelehnt. Stattdessen zog ich es vor mir unter einer Virtual Reality Brille von Zombies das Gehirn aussaugen zu lassen. Meine hilflosen Gnadenschreie wurden von den Beistehenden Besuchern mit allgemeinem Gelächter quittiert.
Der Rest schien mir zum Großteil mit anderen Freizeitparks auf der Welt übereinzustimmen: Kinder lassen sich mit Schminke bemalen, fahren Auto oder wippen auf einem Karussel und am Ende weint immer jemand.



The Forest Creative Loft
Als allerletztes waren wir dann noch in einem Kunstzentrum, das sich The Forest Creative Loft nennt. Es ist ein naturnah gehaltener Ruheort mitten in der Stadt, in dem die anglophonen Besitzer mit lokalen Künstlern Ausstellungen, Konzerte und Ateliers organisieren.






Als wir dort waren konnten wir eine Exposition von Serge Binen bestaunen. Der kamerunische Künstler arbeitet mit Abfallprodukten wie alten Kabeln und Metallplatten und setzte sie in den Kontext der menschlich bewirkten Umweltzerstörung. Gewiss nichts außergewöhnlich innovatives, dafür aber echt gut umgesetzt. Wenig später ging es dann mit dem Bus zurück nach Yaoundé. Ein einziger Atemzug in der Haupstadt reichte und ich begriff warum Yaoundé und nicht Douala heute Standpunkt so vieler westlicher Institutionen ist: Das Klima.
Im nächsten Blogeintrag geht es dann genau um dieses Thema, den eisigen Winter in Yaoundé. Bis dahin!
* Namen nachträglich geändert


2 Comments
Marita Müller
Andere Länder, andere Sitten! Spannend zu lesen sagt eine Oma, die sich schon mit dem hiesigen Klima nicht mehr ab
finden kann. Aber ich war vor 40 Jahren mit dem Auto für 4 Wochen in der Türkei u habe so Einiges erlebt, was in „good o ld Europe“ nicht Standard ist. Mir gefal
len solche Geschichten von Grossfami
lie, weil es das hier früher auch gab.
Andre
Danke für deinen Kommentar, Marita! Auf deinen letzten Satz bezogen: Das geht mir genauso. Es ist ja auch noch nicht lange her. Da erscheinen einem die Unterschiede plötzlich viel kleiner.