Beirut – Ein Fotospaziergang und Reisebericht aus dem “Kleinen Paris” Libanons
In dem heutigen Blogeintrag dreht sich alles um Libanon’s Hauptstadt Beirut. Ich erzähle von meinen persönlichen Reiseerfahrungen im Februar 2023 und gebe euch auf dem Weg Tipps und Ratschläge, falls ihr selbst einmal in den Libanon fahren wollt.
Übersicht:
- Anreise
- Google Maps Karte
- Gemmayzeh
- Hafen
- Downtown
- Der verlassene Zentralbezirk
- Das moderne Beirut
- Graffiti
- Abendessen
- Fazit

Anreise
Beirut! Du charmante, zerstörte Stadt! Schon am Flughafen werde ich mit deiner Gastfreundschaft betraut. Es ist eine junge, weltoffene Dame mit Wohnsitz in der Schweiz und Wurzeln im Libanon dir mir spontan (wir kennen uns erst seit 5 Minuten) einen Platz in ihrem Auto anbietet. Wir rauschen durch die Dunkelheit – Strom für öffentliche Beleuchtung ist nachts abgestellt – und ich werde nach wenigen Minuten an der richtigen Tür in Gemmayzeh abgesetzt. Dieser bedingungslosen Gastfreundschaft werde ich noch regelmäßig begegnen.
Google Maps Erster Rundgang Beirut – Karte mit Sehenswürdigkeiten und Restaurants
Gemmayzeh – Unser AirBnB im Kreuzberg Beiruts
Bei Tageslicht verrät ein erster Spaziergang deutlich mehr über Beirut. Die turbulente jüngere Geschichte der Stadt kann man förmlich an ihren perforierten Fassaden ablesen. Doch dazu gleich mehr. Unser Startpunkt ist Gemmayzeh, ein Bezirk, der mich etwas an Berlin Kreuzberg erinnert: auf der einen Seite die gentrifizierte Nachbarschaft, reichlich AirBnB’s und hippe Cafés, andererseits leere Rohbauten und in die Luft gejagte Tankstellen. Wir stärken uns in Abdullahs versteckter Backstube in der Armenia-Straße. Hier schaufelt der Ägypter im Minutentakt Fladenbrote in den Gasofen – wahlweise belegt mit Käse, Oliven, Spinat, Bohnenmus oder Zatar, einer hier sehr beliebten Gewürzmischung aus Sesam und Thymian.





Der Hafen – Ort der Explosion 2020
Gestärkt können wir unseren Spaziergang beginnen. Um das heutige Beirut zu verstehen, müssen wir dabei zuerst zum Hafen. Warum? Hier ist 2020 ein riesiges Lager Ammoniumnitrat explodiert. Über 200 Menschen starben, mehrere tausend wurden verletzt und Großteile der Stadt lagen in Trümmern. Diese vermeidbare Tragödie brachte den ohnehin schon gebeutelten Libanon an den Rand einer Wirtschaftskrise.
Heute, an diesem sonnigen Februartag, sehen wir ein paar Angler geduldig am Geländer der Hafenpromenade stehen, im Hintergrund die schneeverhangenen Berge. Sie schauen auf die immer gleichen Containerschiffe – Bewegung Fehlanzeige. Die drei Arbeiter nichts, die die vielen Trümmer entsorgen, wirken hilflos.






Die Downtown
Vom Hafen kommen wir schnell in die Downtown. Dort begrüßt uns die neue Mohammed-al-Amin Moschee mit ihren goldenen Minaretten und der blauen Kuppel. Von der Explosion am Hafen sieht man hier keine Spur. Im Inneren predigt friedlich der Imam. Er steht den Betenden abgewandt und richtet seinen Singsang in Richtung eines von Mosaikmalerei überzogenen Mihrabs. Bei den rot-gold schimmernden Ornamenten und Silber leuchtenden Kronleuchtern kann man nicht anders als andächtig auf den Boden zu sinken. Man fällt weich auf den roten Teppich.



Keine 50 Meter weiter steht die Georgkirche. Im 18. Jahrhundert fertiggstellt, hat diese griechisch-orthodoxe Kirche schon mehr durchgemacht als ihr muslimischer Counterpart. Beide Glaubenshäuser stehen hier so dicht beieinander, dass man an ein friedliches Zusammenleben vieler Religionen dahinter vermutet. Doch nach meiner kurzen Auffassungsgabe nach täuscht der Eindruck. Selten erlebte ich ein Land, in dem die Menschen in solch einer Vielfalt und doch in einer so stark nach Konfessionen aufgeteilten Gesellschaft leben. Christen und Muslime bleiben oftmals unter sich. Es ist nicht unüblich, dass mir Christen vom Besuch muslimischer Viertel mit dem Satz „Ich bin nicht rassistisch, ABER…“ abraten.



Die Vielfalt führte aber auch zu schönen Synergien, so zum Beispiel im Stadtbild. Da der Libanon meist unter der Fremdherrschaft unterschiedlichster Reiche stand, findet man auch deren architektonische Einflüsse wieder. Einst das Ursprungsgebiet der Kanaan und später der Phönizier, kamen bald die Ägypter, Assyrer, Babylonier, Griechen, Perser, Ottomanen, Franzosen und natürlich auch die Römer. Über die Letztgenannten muss ich fast schon schmunzeln, ließen sie doch überall wo sie hinkamen, zuerst warme Bäder errichten. So ein bisschen das Starbucks der Antike.


Nur wenige Minuten zu Fuß entfernt, türmt sich ein riesiges, vor Hundert Jahren geborgenes U-Boot vor uns auf. So jedenfalls sieht es aus. In Wahrheit ist „das Ei“ ein alter Kinosaal, dem die Gewehrkugeln aus dem Bürgerkrieg (1975-1990) noch immer im Leib stecken. Wir fragen einen alten Mann, ob wir den Saal betreten dürfen. Dieser winkt nach dem Motto „Ist doch egal“ ab und prompt stehen wir in dem geisterhaften Gemäuer. Heute fungiert er mehr als Übungsort für angehende Graffitikünstler und bestimmt auch für die ein oder andere „Above-Ground Underground“ Party.



Der verlassene Zentralbezirk
Hier kehren wir um und betreten nun den sandsteinfarbenen Zentralbezirk, eine Hauptattraktion Beiruts. Er wird an jeder Ecke von schwerbewaffneten Soldaten bewacht und mit Straßensperren für den motorisierten Verkehr blockiert. Die Folgen der verheerenden Explosion am Beiruter Hafen kommen hier besonders deutlich zum Vorschein. Die mächtigen, eigentlich prunkvollen Straßen sind wie ausgestorben. Schaufensterscheiben liegen zerbrochen auf dem Boden, ehemals leuchtende Reklameschriftzüge hängen schief an den porösen Wänden. Manch fetziger Werbespruch (When life gives you lemons, you should make lemonade!) erscheint unter der neuen, markerschütternden Realität zynisch, beschreibt jedoch auch gut die Anpassungsfähigkeit vieler Libanesen.





Wir betreten den großen Uhrenturm am Place de l’Étoile. Alte Bilder aus den frühen 70’ern zeigen uns ein wildes Geschäftstreiben entlang der Hauptachsen. Heute wirkt die Szene surreal. Wo sind all die Händler, Marktschreier, Feilscher, Schuhputzer, Anzugträger und Models, Bewohner, Konsumenten und Touristen? Es wirkt, als wären sie von einem auf den anderen Tag im Erdboden verschwunden. Tatsächlich haben Coca-Cola und Co das Land nach der Explosion verlassen. Geschäfte im Libanon, so hieß es, seien wegen der Krise nicht mehr rentabel. Ausgerechnet die Regierung und einige Institutionen sind geblieben – so dürfte hier so mancher denken -sonst bräuchte man die patrouillierenden Soldaten nicht.





Das moderne Beirut
Fast verzetteln wir uns aufgrund der unpersönlichen, durchnummerierten Straßennamen – ein Überbleibsel der Franzosen – doch schließlich finden wir den Ausgang und stehen prompt einer hohen Mauer riesiger Glasfassaden gegenüber. Auch das ist Beirut. Moderne Wolkenkratzer, die in wenigen Jahren vom arabischen Ölgeld hochgezogen wurden und Banken, Büros und Hotels beherbergen. Man kommt vorbei an der renommierten amerikanischen Universität und an Kindergärten, die dem Tropical Island Konkurrenz machen könnten. Die Oase der 1 %.





Als westlicher Tourist wird einem beim Zählen der Geldscheine, die man beim Bezahlen eines Kaffees hinblättern muss, auch schnell bewusst, dass man selbst Teil dieser komfortablen Minderheit ist. Aufgrund der Wirtschaftskrise – historisch eine der gravierendsten weltweit – hat die lokale Währung, das libanesische Pfund, massiv an Wert verloren – jedenfalls auf dem Schwarzmarkt. So lege ich einen dicken Batzen auf den Bartresen. Mit fünfzig Euro, umgerechnet 4 Millionen Pfund (40 Scheine) könnte man Menschen erschlagen. Das erklärt, warum man regelmäßig von kleinen Kindern am Ärmel gezogen wird, die andere Hand zeigt Richtung Mund. Meistens, so wird mir gesagt, handele es sich dabei um syrische Flüchtlinge, von denen der Libanon etliche aufgenommen hat: 14% seiner eigenen Bevölkerung.
Graffiti Beiruts





Zum Sonnenntergang bei den Taubenfelsen
An der freundlichen Natur der Libanesen gegenüber Touristen scheint die Krise jedoch nichts geändert zu haben. Immer wieder hören wir den Satz „You’re welcome!“ und schauen in lächelnde Gesichter. Im Tuk-Tuk TikTok fährt uns Machmud zu den Pigeon Rocks, einer der Hauptsehenswürdigkeiten Beiruts. Mit Blick auf zwei aus dem Meer schießende Felsen spazieren hier Familien, Shisha blubbernde Jugendgruppen und stilvolle Alte im Gegenlicht des Sonnenuntergangs.






Essen nach Sonnenuntergang
Von den Pigeonrocks kommt man sogar relativ schnell zu einem großen Stadtstrand. Man vergisst hier schnell, dass man trotz der vielen Schritte erst einen Bruchteil der Stadt gesehen hat. Dahinter beginnen eigentlich erst die riesigen Wohnviertel. Nach dem Sonnenuntergang kehren wir jedoch um und essen in der Beiruter Mode-, Club- und Restaurantstraße „Hamra“. Das Restaurant Mezyan wurde mir von der netten Libanesin am Flughafen empfohlen – und ich kann diese direkt weitergeben. Hier esse ich zum ersten Mal nicht-quietschigen Halloumi! Vom langen Fußmarsch erschöpft, halten wir ein Taxi am Straßenrand an und fahren für 5 USD (400,000 Lire) in unsere Unterkunft.



Mein Fazit
Beirut ist eine Stadt, die einst pulsierend, heute in einer Stockstarre verharrt. Man kommt sich vor wie in einem riesigen Museum, in dem jeder Raum eine andere Epoche der Zeitgeschichte behandelt. Und das Museum lebt – dank der vielen Libanesen, die es am Leben erhalten. Das ist besonders für uns Reisende schön: Wir wurden immer freundlich empfangen und konnten uns auf gute Ratschläge und Hilfe verlassen. Man merkt dabei, dass sich viele noch an die Zeit erinnern, als das Land vom Geld ausländischer Investoren und Touristen geflutet wurde. Heute sind die meisten gegangen, Libanesen inklusive. Es leben mehr Libanesen im Ausland als im Libanon. Ein Besuch lohnt sich trotz oder gerade wegen dieser Lage auf jeden Fall: für dich und für ein Land mit großer Hoffnung.


Wer schreibt hier?
Ich bin André, lebe beruflich in Kamerun und liebe alle Arten von Abenteuerreisen. Auf Wohinnoch? erkunde ich mit euch die Welt, schreibe Erfahrungen wieder und gebe euch Reisetipps. Wenn diese Worte nicht meine letzten an dich sein sollen, kannst du meinen Blog abonnieren und mir auf Instagram folgen.
Jetzt seid ihr dran!
Auf kürzeren Reisen habe ich naturgemäß nicht die Chance, mir in aller Ausführlichkeit Informationen zu einem Land zu verschaffen. Anstatt wilde Thesen über ein mir noch ziemlich unbekanntes Land aufzustellen, möchte ich daher etwas mehr persönliche Ratschläge und Reiseempfehlungen einbinden, die euch zu einer Reise inspirieren könnten. Wie findet ihr das? Nutzlos oder hilfreich? Habt ihr Besserungsvorschläge? Immer her damit in den Kommentaren!

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