Nigeria

Nigeria #2 – Die größte Kirche der Welt, Fragezeichen

In Nigeria leben jeweils so viele Christen und Muslime wie in Deutschland Menschen: 80 Millionen pro Religion. Da verwundert es eigentlich nicht, dass es hier große Glaubensstätten geben muss. Doch wusstet ihr, dass in Abuja die größte Kirche der Welt steht? Begleitet mich in meinem heutigen Blogeintrag auf meinem Weg zu den verschiedenen göttlichen Sehenswürdigkeiten Abujas.

100,000 Sitze: Dunamis International Gospel Centre

Ich muss direkt zu Beginn zugeben: Die Auszeichnung als „größte Kirche der Welt“ hat sich die ansässige Christengemeinschaft etwas erschummelt. Jedenfalls entspricht das 100,000 Menschen umfassende Dunamis International Gospel Centre nicht unserer europäischen Definition einer Kirche. Mit seiner Lage an einer Autobahnausfahrt Abujas zwischen Flughafen und Innenstadt ist es perfekt für Heim- und Auswärtsfans erreichbar. Die Schlaflogen bieten Familien und Vielfliegern ein ausgezeichnetes Aufenthaltserlebnis. Und ich bin mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war, die Einladung des Pfarrers nicht angenommen zu haben, ihn seine Umkleidekabine zu begleiten. Kurz: Ich bin in einem Stadion.

Nach einer für Sporthallen üblichen Sicherheitskontrolle, begrüßte uns ein enthusiastischer Mann an einer vergoldeten Rezeption. Natürlich fragte er mich sogleich, ob ich Fan der Heimmannschaft bin, was ich ehrlich verneinte. Anders als in der Alten Försterei in Berlin durfte ich trotzdem die Tribüne betreten. Noch besser, er begleitete mich sogar für einige Meter in die Haupthalle und ließ mich dort mit offenem Mund stehen.

Es war beeindruckend. Die Messe war vorüber, die Lichter aus und ich stand allein zwischen hunderte Meter langen Stuhlreihen, mein Räuspern versank im Filz der Teppiche und nur der Aufprall einzelner Regentropfen auf dem hohen Dach erinnerte mich daran, dass es da draußen noch eine andere Welt gibt. Ich fühlte mich wie ein kleines Würmchen.

Wie das hier wohl während einer Messe aussieht, fragte ich mich, als ich die Ostkurve hinaufstieg, da wo dann die Ultras sitzen. Die Ultras, das sind die Anhänger der Osterbewegung. Genau, die aus den amerikanischen Filmen, die sich zu reißender Gospel-Musik in den Fünfzigern auf dem Boden wälzen und bei denen man nicht sicher ist, ob man mit erster Hilfe einschreiten oder dem Wahnsinn seinen Lauf lassen soll.

Die Ansicht von oben war dann ein weiterer Hochgenuss. Was man unten nur erahnen konnte, wurde hier zur Klarheit: Die abertausenden Stühle waren ohne Ausnahme exakt symmetrisch aufgebaut. Selbst die farbigen Plastikmülleimer hatten ihren zugewiesenen Platz. Und auf den letzten Rängen schließlich, wo man nicht mehr sieht als den Rücken seines Nachbarn, reihten sich immer noch Stuhl an Stuhl aneinander.

Was ich in Kamerun nur beiläufig mitbekommen habe, ist hier Allgemeinwissen: Die Kirche hat ihren eigenen Fernsehsender, der weltweit einem Millionenpublikum ausgestrahlt wird. Eine Akademie gibt es auch und die Pfarrer sind unlängst einflussreiche und reiche Männer. Mein Fußballvergleich wirkte am Anfang noch albern, ist aber reine Realität. Business eben.

Und irgendwie hatte mich die Kirche auch mich in ihren Bann gezogen. Am Ende bereute ich es fast schon, dass ich wenige Tage später nicht zum Freitagabendspiel, der Nachtmesse, angereist bin. Karten hatte ich, jedoch auch besseres zu tun. Mehr zu meiner ersten Camping-Erfahrung in Afrika dann im nächsten Blogeintrag.

Die Nationalmoschee Abujas

Natürlich wollte ich es nicht bei dieser Einseitigkeit belassen und so ging es im Anschluss zu der Nationalmoschee im Stadtzentrum. Sie kam dem klassischen Bild einer Moschee deutlich näher als das Gospel Center einer Kirche. Ein bisschen erinnerte sich mich mit ihrer wunderschönen, golden schimmernden Fassade sogar an die Mohammad Al Amin Moschee in Beirut.

Meine Begleiterin, die ohnehin schon Probleme hatte, ihre vielen Dreadlocks in ein Behilfs-Kopftuch zu quetschen, durfte das Innere aufgrund ihres Geschlechts leider nicht betreten. Mein Chauffeur wartete mit ihr vor der Moschee, weil er, wie er sagte, den Muslimen nicht vertraue. Ich betrat also, in Begleitung des Wachpersonals als Einziger das Gotteshaus.

Hier und da standen kleine Bücherregale, die Mehrheit der Anwesenden wälzte sich aber auf dem Boden, betete oder starrte auf kleine Bildschirme. Ganz wie in einer Berliner Bibliothek also. Sonst war es still. Ein schöner Ort, zumal kühl. Besonders willkommen fühlte ich mich im Gegensatz zu der Moschee in Beirut jedoch nicht. Relativ schnell wurde ich gebeten den Saal wieder zu verlassen. Ich will nicht wissen, wann der letzte Tourist hier aufgeschlagen ist.

So endete also mein kleiner religiöser Rundgang Abujas. Ich besuchte zwar noch die Zentralkirche neben der Moschee, doch dafür sollen meine Bilder reichen. Im Endeffekt war mein Eindruck, dass sich die christliche Gemeinschaft mit ihrem Stadion modernisiert, jedoch auch bis zur Ausschlachtung kommerzialisiert hat. Die Muslime dagegen scheinen eine traditionellere Ausrichtung ihres Glaubens zu leben. Beide haben ihren Platz in Abuja.


Im nächsten Tag geht es dann, wie schon angekündigt zelten! Zelten? In Abuja? Gibt es da überhaupt Grillmeister? Was steckt man auf seinen Stock fürs Lagerfeuer und überhaupt: Wie schafft man es nicht von den ganzen Mücken zerstochen zu werden? Nur ein Tipp: Stadion! Alles weitere nächsten Sonntag.

Wer schreibt hier?

Ich bin André, lebe beruflich in Kamerun und liebe alle Arten von Abenteuerreisen. Auf Wohinnoch? erkunde ich mit euch die Welt, schreibe Erfahrungen wieder und gebe euch Reisetipps. Wenn diese Worte nicht meine letzten an dich sein sollen, kannst du meinen Blog abonnieren und mir auf Instagram folgen.

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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