Schneeweiße Libanonberge, Abenteuerliche Taxifahrten & Zahlé
Dieser Reisebericht erzählt von einem Tagesauflug mit einem abenteuerlichen Taxifahrer in die verschneiten Berge Libanons und die darauffolgende Weiterreise in die Weingegend und Kornkammer Libanon’s – Zahlé.
Die verschneiten Berge Libanons
Alle Taxifahrer Libanons heißen George. Wenn sie das nicht tun, nehmt euch in acht! Denn wir waren einen Tag mit einem unterwegs und der hieß Antonio. Schon wie er da auf diesen Treppenstufen saß, dieser Glatzkopf im Heavy-Metal Sensenmann Pullover, Kaffee schlürfend, den Blick auf seinen alten Mercedes gerichtet, hätte uns bereits eine Warnung sein müssen. Doch lest selbst.
Wie ihr im letzten Blogeintrag lesen konntet, waren wir gerade in unserer Zitadelle in Byblos untergebracht. Unser Gastgeber hatte uns netterweise einige Empfehlungen für die bergige Umgebung gegeben und so nahmen wir uns vor, diese dann auch zu erkunden. Da uns ein Guide zu teuer war, entschieden wir uns, die Ziele mit einem Taxifahrer anzufahren. Und diesen fanden wir dann am besagten Morgen in Antonio. Wir einigten uns auf den horrenden Preis von 100 Dollar – viel Geld in der aktuell schwierigen ökonomischen Lage im Libanon. Während für Ausländer der Libanon sehr billig geworden ist, wehren sich die Taxifahrer beharrlich gegen ihre sinkende Kaufkraft. Ich habe sogar die Vermutung, dass sie sich miteinander verbünden, um möglichst hohe Preise zu erzielen. Antonio in jedem Falle schien ihr Anführer zu sein.


Das Saint-Maron Kloster
Das Problem mit Antonio war nun, dass er trotz guter Bezahlung ein unverbesserlicher Sturkopf war. Unseren Reiseplan verstand er zwar weitgehend, hielt es aber für geeigneter seine eigenen Ideen umzusetzen. Erschwerend kam noch dazu, dass sein am Anfang noch passables Englisch im Verlauf des Tages immer schlechter wurde. Bis wir uns gar nicht mehr verstanden.
Doch eins nach dem anderen. Erst einmal waren wir am Ortsausgang von Byblos noch guter Dinge und tatsächlich stand der erste Ort bei uns beiden auf dem Routenplan. Es war das maronitische Saint Maron Kloster, eine von nebligen Zedern umrahmte, steinerne Abtei. Wir hatten etwas Angst, als wir mit dem als Sensenmann verkleideten Antonio den heiligen Kreuzgang betraten, doch die Gläubigen waren gerade tief in eine Predigt versunken und bemerkten uns gar nicht. In Myrrenduft gehaucht brummelte diese merwürdig zusammengewürfelte Masse aus Purpur ummantelten Mönchen und schwarzen Heavy-Metal Anhängern das Gebet auf Aramäisch. Ich kam letztendlich auch auf meine Kosten, denn es wurden Speisen geboten, wenn auch die Oblaten für eine Mahlzeit deutlich zu klein waren.


Antonio versuchte uns derweil mit Hilfe des Google Übersetzers die Heiligkeit dieses geweihten Ortes näher zu bringen, doch das Sprachprogramm spuckte nur sinnfreie Sprüche heraus wie: „Klingel, klingel, klingel oh Glocke!“ oder „Du hast Bushra Al-Arz, seine Frau, nicht einmal verärgert, komm schon, du hast er ruiniert.“ Schwer zu sagen, ob es tatsächlich das war, was Antonio uns übermitteln wollte. Jedenfalls schauten die Leute schon irritiert zu uns.
Aaqoura: In die schneebedeckten Berge Libanons!
Nun denn ging es weiter die Berge hoch. Hier wich der Nebel dem Schnee. Antonio weigerte sich aus irgendeinem nicht begreiflichen Grund zu dem Ziel zu fahren, welches wir ihm angaben. Ein Gespräch mit seinem englischsprachigen Freund „George“ am Telefon sollte alles klären, aber er fragte mich nur, ob wir für heute Abend noch „Women“ bräuchten. Das Endergebnis war also Folgendes: Unser Lieblingsfahrer fuhr dahin, wo er es für richtig hielt und rotierte dabei das Lenkrad im Takt der Musik.



Die Gegend war zu unserer Überraschung nicht im Winterschlaf, wie wir dies Anfangs vermuteten. Denn ähnlich wie ein Freund, der mich neulich fragte, ob man im Libanon auf Sand Ski fahre, hatten auch wir vorher keinerlei Vorstellung, dass es im Libanon, zum Beispiel in Harissa, richtige Skigebiete gibt. Leider waren wir in unseren Sneakers jedoch nicht so recht für Wintertouren präpariert.



Abgesehen von der atemberaubenden Landschaft waren die Sehenswürdigkeiten leider enttäuschend zu dieser Jahreszeit. Von zwei Wasserfällen, die wir uns ausgesucht hatten, war einer aufgrund von Neuschnee gesperrt, der andere ausgetrocknet. Da half auch nicht, dass uns der gutgelaunte Antonio mit Schneebällen abwarf.



Da unsere Tour sich damit schneller als gedacht dem Ende neigte, steuerten wir noch ein paar weitere, spontane Ziele an. Darunter die ältesten Olivenbäume der Welt, deren Oliven auch genau so schmeckten. Augenscheinlich noch von letzter Ernte verfault auf dem Boden liegend, schnalzte Antonio, der auch eine kostete, kennerhaft das Gesicht, als hätte er gerade Eva den Apfel weggegessen. Unverzüglich danach wollte er jetzt den Preis für die Taxifahrt erhöhen. Was wolle Antonio!?


Die Bezahlung
Am Ende des Tages in Byblos angekommen, tauschten wir am Wechselschalter die 100 USD um, die sich Antonio vergnügt auf die Stirn klebte und daraufhin sich mit vielen Küsschen verabschiedend in die Nacht tänzelte. „Der wird das heute Nacht alles versaufen“ waren wir uns einig, „und zwar mit George und ein paar women“. Wir konnten diesem jovialen Antonio im Endeffekt nicht mal böse sein. Er war halt ne Marke.
Taxifahren im Libanon
Apropros Be-„Zahle“. Am selben Abend noch suchten wir einen Taxifahrer, der uns am nächsten Tag nach Zahlé, eine Stadt im Landesinneren bringen sollte. Dass Antonio für uns nicht mehr in Frage käme, lag auf der Hand – morgen würde er total verkatert sein. Die Suche verlief wieder aufwendig. Eine Preisverhandlung, die ich am Telefon führte, verlief folgendermaßen:
Er: „75“. Ich: „50“, Er: „60“, Ich: „55“, Er: „65“. Ich: „Hä? Du gehst ja hoch! Nagut, letztes Wort: 60!“, Er: „75, bester Preis“.
Irritiert legte ich auf. Glücklicherweise bot uns der Tag nebst all dieser obskuren Begegnungen auch einen Lichtblick: Ein netter Kellner telefonierte kurz rum und fand sogleich einen Taxifahrer für 50 USD. Das wäre dann auch mein Tipp für alle Reisenden. Lasst die Einheimischen für euch die Preise aushandeln. Oder fahrt Bus. Denn die Ruchlosigkeit der Taxifahrer steht diamtral der bedingungslosen Gastfreundschaft aller anderer Libanesen gegenüber.
Zahlé: Das trügerische Weinparadies
Wir fuhren einmal über die Bergkette des Libanon und kamen nach weniger als zwei Stunden in Zahlé an. Im Sommer laut Reiseführern ein warmer Weinverkostungsort, fanden wir die Stadt (spricht man aus wie ein Hessisches Sachle) noch im Winterschlaf an. Die wahrscheinlich sonst idyllische Promenade hatte dieser Tage nur wenig mehr als einen riesigen, leeren Parkplatz zu bieten.


Willkommen in Zahlé
Der Ort ist längst seinem schmalen Flusstal entwachsen. Die weiß verputzten und rot geziegelten Wohnblöcke kletterten so immer weiter den Berg hoch, ohne sich architektonisch dem neuen, romantischeren Ausblick anzupassen. Sie blicken alle auf das Tal, in dem sich die zentrale Straße zweigespalten entlang des Flusses schlängelt. Hier sticht ein riesiges blau-weißes Krankenhaus heraus, welches mit seinem symmetrischem Schnitt und außen angebrachten Klimaanlagen eher aussieht wie ein Hotel, welches am Meer stehen müsste. Dieses ist aber ziemlich weit weg.



Hier in dieser Straße spielt sich das Geschäftsleben ab. Morgens kaufen sich die Einwohner riesige Stapel Fladenbrot beim Bäcker. In der warmen Nachmittagssonne kehren immer mal wieder Skifahrer aus den naheliegenden schneebedeckten Bergen zurück und abends schließlich, in der Abwesenheit der Sonne, wird man daran erinnert, dass man auf 1000 Höhenmeter residiert: Es wird kalt.



Bei der Restaurantsuche gilt die libanesische Faustregel: Je edler das Ambiente, desto schlechter das Essen. Dort wo wir speisten, machten sie einen auf edlen Krösus. Wollten wir etwas mehr Salat, kam gleich ein Kellner angerannt, um uns diese schwierige Aufgabe abzunehmen. Dass sie ihn nicht geschnitten hatten und wir ganze Salatblöcke unsere feinen Speiseröhren herunterwürgen mussten, war ihnen egal. Und dazu gabs Wasser in Plastikflaschen. Schließlich kehrten wir in unsere Unterkunft ein, die leider auch eine einzige Abstellkammer war. Eigentlich, so resümierten wir, ist Winterurlaub in Zahlé wie Klassenfahrt in Ostdeutschland. Laues Buffet, muffige Bude und nur im Sommer erträglich.
Immerhin nutzten wir die Zeit so für ein paar Erledigungen des Alltagslebens, wie zum Beispiel dem Rasieren. Der einzige bei Google Maps verortbare Salon war gleich ein Volltreffer. Mit Hipsterzopf und von bunten Tattoos überzogenen Armen erfüllte der gute Herr Charbel alle Klischees – unter anderem auch das für wenig Geld einen sehr guten Job zu machen. Sein Motto: Es sind keine grauen Haare, sondern Weisheitssträhnen.



Lady of Zahlé – Ein schöner Ausblick über die Stadt
In dieser hielten wir uns dann auch öfter als es uns lieb war auf, denn so richtig viel gab es in Zahlé nicht zu tun. Wir erklommen die umliegenden Hügel, um uns davon zu überzeugen, dass wir wirklich nichts übersehen hatten. Wir wanderten hoch bis zum Denkmal der Lady von Zahlé, doch obwohl die Aussicht hier prächtig sein könnte, gab es keinen Platz, um sie richtig zu genießen. Schließlich soll hier ja gebetet werden. Ich glaube die Stadt ist echt was für den Sommer…



Zum Glück liegt eine der schönsten Reiseziele nicht weit entfernt: Baalbeck! Doch davon erzähle ich euch im nächsten Blogeintrag.
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