Über die staubigen Straßen Ngaoundéré’s
Ngaoundéré liegt zwischen den dichten Regenwäldern des Zentrums und der Sahelzone im Norden und wird deshalb von vielen Reisenden übersehen. Ganz unverständlich ist das mit Blick auf die vielen Sehenswürdigkeiten im Rest des Landes sicherlich nicht – allerdings auch nicht ganz gerecht gegenüber dem Hochplateau Adamaouas, das durchaus einiges zu bieten hat.
Zugfahrt von Yaoundé nach Ngaoundéré
Meine Reise Richtung Norden begann mit einer Zugfahrt. Wer damit Reiseromantik verbindet, den muss ich leider enttäuschen. Statt Taschentuchwinken am Bahnsteig gab es eine finstere Nachtfahrt im vollen Sitzabteil der zweiten Klasse. Gute 16 Stunden war ich Gast im alten, aber belebten Waggon. Mein Vierer-Sitzabteil teilte ich mir mit sehr angenehmen und ruhigen Nachbarn, die leider wenig für die Ausmaße ihrer Körper konnten. Freie Körperentfaltung hatte ich mir anders vorgestellt. An Schlaf war also nicht wirklich zu denken. Währenddessen wurde der Korridor von hin und her laufenden Händlern beackert. Zum Angebot standen die verrücktesten Waren: Choco-Charbon (Zahncreme aus Holzkohle), Mückencreme, Maniokstäbe, Kochbananen, Kokosnüsse. Besonders beeindruckte mich eine ältere, kleinwüchsige Frau, die kiloschwere Stauden und kuheutergroße Papayas schleppte und dabei einen kauflustigen Kunden nach dem nächsten bediente. Zu Ruhezeiten saß sie neben der Toilettenkabine und summte eine bewegende Melodie.




Unser Zug hielt an jedem noch so kleinen Kaff und wer sich noch nicht vorher Brote geschmiert hat, der öffnete jetzt das Fenster und kaufte eine der von den Anwohnern feilgebotenen Speisen. Derweil versuchte ich mich ein wenig auszuruhen, doch meine aus Deutschland mitgebrachten Ohrstöpsel wurden nicht für kamerunische Geräuschkulissen entworfen. Als ich doch endlich etwas Schlaf fand, wurde dieser prompt von einer Polizeikontrolle unterbrochen. Diesmal hatte ich Pech. Die strenge Kontrolleurin fragte nach meinem Impfausweis, den ich tatsächlich nicht mit mir führte. „Brauch ich ja auch nicht“ entgegnete ich ihr in respektloser Schläfrigkeit. Faktisch korrekt, dennoch ein Fehler. Zwar ist mein Visa der Beweis für alle nötigen Impfungen, so erklärte man es bei mir bei der Einreise, doch das brauchte die Polizistin nicht zu interessieren. Hier im Zug hatte sie die Macht. Eine Stunde blieb ich ohne Reisepass, versuchte verzweifelt meine Freunde in Yaoundé zu erreichen und erhielt immerhin eine abfotografierte Version des Passes, die jedoch mit einem Satz abgelehnt wurde. Allen war klar, worum es hier in Wirklichkeit ging. Doch darauf hatte ich keine Lust. Blieb also nur noch eine geheuchelte Entschuldigung und schwupps erhielt ich, nach ein paar unlieblichen Worten in meine Richtung, meine Dokumente zurück.







Erste Eindrücke in Ngaoundéré
Gegen zwölf Uhr mittags kam ich am Endbahnhof in Ngaoundéré an. Wie schon erwähnt zieht es wenige Touristen hierhin – was gibt es also zu sehen? Als erstes viel mir der von Hinkelsteinen verzierte Hügel als Wahrzeichen der Stadt auf. Die rot gezopften Franzosen waren also auch schon hier. Lässt man sich vom Motoman am Fuße des Hügels absetzen, ist es nur eine halbe Stunde bis nach oben. Von hier aus hat man vor allem zum Sonnenuntergang einen schönen Rundumblick über die zu dieser Zeit staubige Stadt. Die Unterschiede zu Yaoundé, vor allem die muslimische Prägung, lassen sich anhand der vielen Moscheen auch aus der Ferne gut erkennen. Dazu wirkten die Menschen ruhiger auf mich und sind zurückhaltender gekleidet.







Doch es ist wie gesagt eine Übergangszone und so gibt es auch eine von Norwegern gegründete christliche Mission, in der schicke Zimmer angeboten werden. Hier checke ich ein und verabrede mich mit dem Sheriff, einen ulkig als Westernheld verkleideten Guide, der etwas zu gezwungen auf diese Rolle besteht, für einen morgigen Ausflug.
Der folgende Tag begann dann gleich mit einer kleinen Rettungsaktion. Irgendwelche Kinder hatten einen Vogel gefangen und dann mit einem Draht kopfüber an einem hochhängenden Ast aufgehangen. In regelmäßigen Abständen versuchte sich der Arme erfolglos zu befreien. Mit schnalzender Zunge befreiten der Sheriff und unser Fahrer den Piepmatz und ließen ihn in einer nicht zu übersehenden Traurigkeit davonflattern.

Zu den Tello Wasserfällen
Unser Ausflugsziel – die Tello Wasserfälle – führte uns ungefähr 50 Kilometer über holprige Erdstraßen. Auf diesen Buckelpisten, so heißt es, lernen die Kameruner tanzen. Wir sahen über anderthalb Stunden die semi-aride Landschaft vorbeiziehen, in jedem Dorf lagen Bündel getrockneter Holzscheite aus, die Verkäufer versteckt unter riesigen, schattenspendenden Mangobäumen. Wir ließen sie in einer rostigen Staubwolke zurück, worauf hin sie ihre zweckentfremdeten Masken über ihre Nasen zogen.



Zehn Rinderherden später erreichten wir dann die zwanzig Meter hohen Tello Wasserfälle, die sich, wie auch immer sie das taten, reichlich in eine grün bewachsene Schlucht ergossen. Wir konnten die Wasserfälle sogar unterlaufen und aus einer dunkelgrünen, glitschigen Höhle das Spektakel von der anderen Seite bewundern. Anders als im Westen Kameruns nutzt die lokale Bevölkerung diesen Ort nicht für Rituale und so waren wir ganz allein.







Zum See Mballang
Wenig später, wir verfuhren uns natürlich auf dem Weg, hielten wir am See Mballang. Hier ließen die norwegischen Missionare vor einiger Zeit eine Ferienunterkunft für Wochenendausflüge errichten. Der See hat dadurch ein merkwürdig nordisches Flair. Ich musste direkt an Holzstege, Federball und nächtliches Nacktbaden denken. Der Unterkunft nach zu urteilen, liegen diese Aktivitäten jedoch schon weit in der Vergangenheit. Die dunkeln, skandinavischen Holzmöbel sind veraltet, der weiße Gasherd ebenso.





Um die Vergangenheit aufleben zu lassen, badete ich etwas in dem See, wovon mein Reiseführer – so las ich später – dringend abrät. Übrigens auch sehr zum Entsetzen meiner Mitreisenden, alles Nicht-Schwimmer, und einer am Ufer sitzenden Dame, der ich auf die alten Tage wohl nochmal einen ziemlichen Schreck eingejagt habe. Nebenbei zeigte der Sheriff mir seine Skills im Steinschleuderschießen und traf ein kleines Blattbüschel an einem weit entfernten Baum beim ersten Versuch. Seine Ohren drehten sich derweil bei jedem noch so entfernten Vogelgezwitscher zum nächsten Busch.
In Ngaoundéré selbst schaffte ich dann nicht mehr alles, was ich mir vorgenommen hatte – denn meine Pläne änderten sich spontan. Eine vielempfohlene Range südöstlich der Stadt wies mich in einem Telefonat einfach ab, Tourismus lohnt sich anscheinend nur für größere Gruppen. So ergriff ich also den Plan direkt weiter in den Norden zu ziehen – nach Garoua. Das Lamidat, also die örtliche Chefferie, sowie die große Moschee und weitere Ausflugsziele in der Umgebung hebe ich mir für einen nächsten Besuch auf. Ein Souvenir der Stadt sollte ich jedoch noch viele Tage in meinem Bart tragen: Den feinen Staub.

