Die blaue Stadt Indiens
Nach insgesamt drei Filmen steigen wir aus dem Bus. Wir sind angekommen in der Stadt Jodhpur, der zweitgrößten Stadt Rajasthans. Wieder so eine Stadt, wo Straßen nur ein Vorschlag sind und man für hochfrequente Hupen wahrscheinlich sogar mehr zahlen muss, als für gewöhnliche. Auch diese Stadt blieb von dem eifrigen Fort-Bau in dieser Region Indiens nicht verschont. Heute jedoch können wir das erste Mal direkt von unserer Unterkunft, auf das Fort schauen. Erhaben schaut es von seinem Berg auf uns niedere, sterbliche Gestalten herab.
Wir machen uns am nächsten Mittag auf den Weg, das Fort zu erklimmen. Warum eigentlich immer zu dieser Tageszeit?! Das Fort wurde noch nie in einer Schlacht eingenommen, was nicht zuletzt an dem ausgetüftelten Verteidigungssystem liegt. Mit Audio-Guide bewaffnet spazieren wir Richtung Haupttor und bekommen erklärt, dass die scharfe Kurve unmittelbar vor dem Haupttor den Sinn gehabt hat, Elefanten abzubremsen. Sollte die Kurve ihren Job nicht erfüllt haben, gab es immer noch aus Eisen gefertigte Stacheln, die auf Kopfhöhe der Elefanten am Haupttor angebracht wurden. Unsere Idee, wie man das Haupttor stürmen kann: Dynamische Liliputaner-Elefanten!
Die Geschichte des Forts bekommen wir sehr schön erklärt, leider nur versteift sich der kleine nette Mann in der mit Kopfhörern verbundenen Box manchmal zu sehr auf königliche Sänften und Kosmetikkisten. Generell gilt jedoch: Jedes Fort ist auf seine eigene Art und Weise wieder sehr besonders. Für mich ist der Höhepunkt der Ausblick von der Mauer des Forts auf die Häuser dieser Stadt. Völlig durcheinander und ohne jegliches System reiht sich hier ein Haus ans Andere. Die Häuser ähneln sich in ihrer Ungleichheit, aber auch in ihrer Farbe. Die Stadt erstrahlt in einem angenehmen Indigo-Blau, welches zur Kühlung des Hausinneren auf die Außenwände gemalt wurde.
Die Straßen Jodhpurs sind belebt. Händler reiht sich an Händler. Ob er Gewürze, Tücher, Lebensmittel oder Schmuck verkauft scheint schon fast nebensächlich, findet man doch fast immer ein paar Meter weiter einen Händler mit den gleichen Waren. Irgendwo steckt eine Kuh ihr Maul in einen Berg voll Plastik, während ein Hund auf dem Dach eines Tuck-Tucks liegt und sich vor der Mittagshitze zurückzieht. An ihm scheint das ganze Spektakel vorbeizuziehen – ist er doch eigentlich ein Teil des Ganzen. Die blaue Farbe an den Wänden gibt dem Treiben ein interessantes, fast schon beruhigendes Flair.
Wir erreichen den Uhrenturm. Hier konzentriert sich das stark verteilte Marktleben an den Straßenrändern zu einem großen Basar. Ältere Damen sitzen auf dem Boden und sortieren ihre Waren, die sie auf den am Boden liegenden Tüchern, ausgebreitet haben. Wir betreten ein Restaurant, welches uns von unserem Host empfohlen wurde. Wir sind die einzigen Europäer, die hier gastieren und bestellen uns, wie empfohlen ein Thali-Set. Hierbei bekommt man ein paar Fladen vom leckeren Chapati-Brot. Dazu unterschiedlichste Gewürzmischungen, ein wenig Reis und Joghurt. Dieses unglaublich leckere Gericht, ist nur leider viel zu viel für eine Person und liegt auch sehr schnell und schwer im Magen.
Eiligen Schrittes laufen wir wieder zur Unterkunft zurück. Wir sitzen wieder oben auf dem Dach unserer Unterkunft und reden mit einem deutschen Pärchen aus Köln. Fasziniert gucken wir uns die Bilder an, die uns Jakob, ein Semiprofessioneller-Fotograf, auf seiner Kamera zeigt. Vor einer Reise erscheint mir die Investition einer Kamera immer als viel zu teuer. Während einer Reise bereue ich es immer wieder, dass mein einziges Fotoaufnahmegerät mein Handy ist. Mit großen Augen sehen wir uns noch einmal das vorhin beschriebene Straßenleben an, welches jetzt, sowohl in echt, als auch auf dem Kamerabildschirm, zum Stillstand gekommen ist. Wir sehen die ganzen beeindruckenden Gesichter, die uns in dem Tumult oftmals gar nicht so richtig auffallen.
Es ist spät und wir gehen uns Bett. Am nächsten Tag werden wir Rajasthan verlassen und nach Ahmedabad fahren, von wo aus wir in den Süden Indiens fliegen. Wir sind sehr gespannt auf die Unterschiede zwischen den zwei, weit auseinander liegenden Regionen des mehr als eine Milliarde Einwohner umfassenden Landes Indien.
Kleiner Nachtrag zu Ahmedabad:
Nach einer langen Nachtfahrt erreichen wir den Hauptbahnhof der fünftgrößten Stadt Indiens. Touristen gibt es hier so gut wie keine und damit auch kein Business für solche. Wir besuchen einen Naturwissenschaftspark und frischen unser Schulwissen wieder auf. Ahhh! So sieht also der Tiger aus und welches Geräusch macht er noch gleich? Mehr als der Park beeindruckt uns der schon zu erkennende Unterschied zwischen den unterschiedlichen Teilen Indiens. Scheinbar befinden sich hier mehr antizipierte Damen auf den Straßen und egal ob männlich oder weiblich, mehr Leute antworten mit einem Lächeln auf unseres. Der Grund für die Freundlichkeit ist garantiert, dass alles ein wenig entspannter in den Außenbezirken der Metropole ist, auch wenn der Smog der Innenstadt bis hierher reicht.
Mit viel Mühe kümmert sich die vielleicht 11-Jährige Tochter unseres Hosts, der gerade im Oman ist, um uns. Sie flitzt von einer Stelle zur nächsten und hat in ihren jungen Jahren scheinbar alles im Griff. Morgen geht es jedoch schon wieder weiter, denn so viel gibt es hier in Ahmedabad doch nicht zu sehen.

