Strand und Unabhängigkeit
So, jetzt habe ich auch meinen ersten Feiertag in Mexiko erlebt: „El día de la Independencia“, den Tag der Unabhängigkeit. Gefeiert wird dieser am 16. September, wobei die Feierlichkeiten bereits am Abend des 15. September beginnen. Naja, eigentlich sogar noch früher, nämlich Anfang September. Im September wird generell vermehrt traditionell gekocht, wie ich erfahren habe. Aber der Reihe nach, vorher gilt es die vorangegangenen Tage der Woche aufzuarbeiten. Um ehrlich zu sein, ist aber gar nicht so viel geschehen, einzig dass meine Fútbol rápido-Mannschaft ihren ersten Sieg eingefahren hat, ist meiner Meinung nach berichtenswert,. Der Rest war Alltag. Bis Freitag, denn Freitag war der für mich anstrengendste Tag, seitdem ich hier bin.
Donnerstag war ich darüber informiert worden, dass die Secundaria, also die Klassen sieben bis neun, am Freitag mit sämtlichen Lehrern der Secundaria an den Strand fahren würden, um dort kleine sportliche Wettkämpfe auszutragen, zu entspannen und sich besser kennenzulernen. Sehr zu meiner Freude wurde ich Team Rot zugeteilt, was bedeutete, ich konnte mein geliebtes Leverkusentrikot tragen! Gut war dies auch deshalb, weil ich keinerlei (Sport-) Klamotten in den Farben grün, gelb, blau oder gar rosa besitze.
Los ging es am nächsten Morgen um 5:30 Uhr, als ich widerwillig aufstand, um mich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Durch den doch eher bescheidenen Nahverkehr in Mérida brauche ich für die knapp zehn Autominuten zur Schule jeweils eine Stunde. 20 Minuten laufen zur Bushaltestelle, 20 Minuten fahren, 20 Minuten laufen zur Schule. Wenn ich 7:30 da sein soll, muss ich um 6:30 aufbrechen, ein Traum. Aber naja, ich werde es überleben. Auf jeden Fall erwischte ich den Bus pünktlich, fragte mich nach 10 Minuten aber, warum ich die Straße nicht wiedererkannte. Nach einem Blick auf Google Maps wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich beinahe im Zentrum angelangt, also auf dem Weg in die falsche Richtung war. Der Fahrer erklärte mir, dass sie Busse heute etwas anders als gewöhnlich fahren würden, da durch die Vorbereitung der Feierlichkeiten viele Straßen gesperrt sind. Super, danke dafür. Noch 10 Minuten bis zum vereinbarten Treffpunkt und ich war mitten im Zentrum. Glücklicherweise gibt es ja Uber, auch wenn es in Mérida nicht ganz legal ist. Nur 7 Minuten zu spät kam ich dann in der Schule an, vollkommen panisch, wurde aber von tiefenentspannten Lehrern begrüßt die mir erklärten, der Bus fahre ebenfalls später ab als geplant, da auch er von den weiträumigen Sperrungen betroffen sei. Puh, erstmal durchatmen.
Am Strand kamen wir dann gegen neun an. Ein kleiner Klub war offensichtlich gemietet worden und stellte neben einem Pool auch ein winziges Volleyballfeld sowie ein minimal größeres Fußball- bzw. Beachsoccerfeld zur Verfügung. Mein Team sollte zu Erst im Volleyball gegen Team Gelb antreten. Nach den ersten hektischen Spielminuten wurde mir klar, dass die meisten Schüler gar kein Volleyball spielen konnten, weshalb das Spiel eher an „Ball-irgendwie-über-das-Netz-befördern“ erinnerte. Relativ zügig verließ ich das Feld dann auch, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, sich in diesem Gewusel mehr einzubringen. Leider verloren wir dieses Spiel gegen den späteren Turniersieger. Beim Beachsoccer siegte mein Team nach einem noch viel größeren Gewusel im Fünfmeterschießen und auch das anschließende Quiz konnten wir für uns entscheiden. Es gab größtenteils Fragen fürs Allgemeinwissen, die ich auch meistens wusste, vorausgesetzt, ich verstand die Fragen. Als Teil der Lehrerschaft war es mir aber untersagt, meinem Team zu helfen.
Beim anschließenden Essen warfen mir die anderen Lehrer vor, mich nicht genug zu freuen und meine Emotionen zu stark unter Verschluss zu halten. Und es stimmt, im Vergleich zu allen anderen war ich sehr ruhig gewesen, es war sicher die lauteste Schulveranstaltung, die ich je erlebt habe. Nichtsdestotrotz hatte ich das Gefühl gehabt, meine Emotionen für meine Verhältnisse sehr wohl gezeigt zu haben. So können sich Selbst- und Fremdwahrnehmung also unterscheiden.
Sinn dieser Veranstaltung war, dass sich Schüler und Lehrer besser kennen lernen. Am Montag sollen die Schüler dann einen Bericht abgeben und einen Tutor wählen, der für das restliche Jahr ihr Ansprechpartner bei Sorgen, Fragen und derlei sein wird. Für mich ging es danach direkt weiter zum Spanischunterricht und wieder war ich für eine Autostrecke von 15-20 Minuten mehr als eine Stunde unterwegs, diesmal ohne in den falschen Bus gestiegen zu sein. Ich verstehe, warum so viele Mexikaner lieber das eigene Auto nutzen.
Da es die letzte Spanischstunde war, hatten die Maestras uns Kuchen gekauft, den wir dankbar aßen. Anschließend spielten wir noch eine Runde Galgenmännchen, wobei die letzten Wörter dann auf Deutsch waren, um den Lehrerinnen, die das ein oder andere Mal über uns gelacht hatten, zu zeigen, dass dieses Spiel gar nicht so einfach war, wenn man die Wörter nicht kannte.
So, jetzt nähern wir uns endlich dem Abend. Zusammen mit einem Mitfreiwilligen fuhr ich ins Zentrum, wo sich gefühlt ganz Mérida auf dem Hauptplatz versammelt hatte, um gegen 23 Uhr den Schrei für die Unabhängigkeit abzugeben. Uns war gesagt worden, dass es sehr voll sein würde und tatsächlich, voll ist noch milde ausgedrückt. Auffallend war auch, dass nahezu alle Läden und Restaurants geschlossen waren, eine Ausnahme stellten nur zwei weltweit agierende Fast-Food-Ketten dar. Dem Schrei folgte ein außerordentlich beeindruckendes Feuerwerk.
Wir beschlossen, uns eine Bar zu suchen, um auf die Unabhängigkeit anzustoßen, was sich doch als ein wenig schwieriger rausstellte, als wir dachten, denn die offenen Bars waren rappelvoll. Doch nach etwas Zeit fanden wir eine, in der eine Live-Band Tuttipunk oder so etwas Ähnliches zum Besten gab. Die Musik gefiel mir wirklich sehr gut und auch der Tequila war lecker. Jedoch machte sich mein bisheriger Tag bemerkbar und ich wurde ziemlich müde, weshalb ich von Bier auf Cola umstieg, um nicht einzuschlafen. Nach einer kurzen Weile kamen wir dann mit einigen Mexikanern ins Gespräch und so vergingen die nächsten zwei Stunden bis um drei auch relativ zügig. Um drei wurden wir dann gebeten zu gehen, da sämtliche Bars um diese Zeit schlossen. Wir liefen noch ein wenig durchs Zentrum und ich fuhr dann nach Hause. Schlafen konnte ich aber noch nicht, denn mir fiel auf, dass mein Mitfreiwilliger seinen Schlüssel bei mir vergessen hatte, was bedeutete, ich musste noch eine Stunde aufbleiben, bis er vorbeikam, um ihn abzuholen. Gegen sechs Uhr morgens konnte ich endlich die Augen schließen.
Zu meiner Überraschung wachte ich gegen neun wieder auf und vorbei war´s mit Schlaf. Zwar war ich immer noch hundemüde, aber einschlafen konnte ich nicht mehr. Den kompletten Samstag machte ich ausgesprochen wenig. Mein Sprachzentrum schlief offensichtlich noch, denn ich bekam den ganzen Tag über keinen einzigen ordentlichen Satz über die Lippen. Zu meiner Bestürzung stellte ich dann auch noch fest, dass Netflix endlich erkannt hatte, dass ich jetzt in Mexiko war, was bedeutet, dass die deutschen Tonspuren nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn ich nicht gerade eine deutsche Serie gucken möchte. Mist. Immerhin werde ich jetzt zu meinem Glück gezwungen und schaue die Serien und Filme eben auf Spanisch.
Der Abend des 16. war relativ ereignislos, denn ich schlief relativ zügig einfach ein und wachte erst 12 Stunden später wieder auf. Fast auf den Punkt um 8:30 Uhr, was den netten Nebeneffekt hatte, dass ich ausgeschlafen bin und Zeit hatte, das Leverkusen-Spiel zu sehen. Ausgezeichnet.
Damit verabschiede ich für diese Mal wieder und sende viele Grüße hinaus in die Welt!


One Comment
André
4:0 Sieg! 😊