Senegal und Gambia

Nächtliche Anreise in Dakar

Als ich den großen, schon stark zerbeulten Karton neben mir zu stehen hatte, stellte sich mir nur noch die Frage, wie ich ihn nun in meine Unterkunft bewegen sollte, schließlich hatte sich die Dunkelheit, mit Ausnahme vom beleuchteten Flughafen, bereits längst über die Stadt gelegt. Auf meinem Rücken trug ich einen blauen Rucksack, der mir schon seit längerer Zeit gute Dienste erwies, in der rechten Hand den Reisekoffer mit Fahrradequipment und Klamotten drin. Das dritte Gepäckstück, ein zwei Meter langer und ein Meter hoher Karton, musste also irgendwie unter meinen linken Arm eingeklemmt und dann auf welche Art auch immer durch die ewigen Hallen des Flughafens geschliffen werden. Ich kam zu dem Fazit, dass sich der Transport in der Planung als wesentlich einfacher ankündigte, als er in der Praxis sein sollte.

Zu meinem Bedauern musste jeder Ankömmling vor dem Verlassen des Flughafens noch einmal sein Gepäck durch einen Scanner fahren lassen. In der Hoffnung, dass mein Karton allein durch seine Ausmaße schon dem Sicherheitspersonal mitteilt, dass er auf jeden Fall nicht auf dieses Band passen würde, stand ich also recht jämmerlich vor dem mir noch verwehrten Durchgang. Auf die Frage, was genau denn in dem Karton sei, antwortete ich müde, doch unmissverständlich: „Vélo“.

Nicht mehr im Karton – mein vélo

Natürlich wollte der Herr Verantwortliche kontrollieren, ob es mir auch tatsächlich gestattet war dieses Fahrrad zu transportieren. Ich dachte eigentlich, dass das der Job der Leute am Abflugsort gewesen sei, doch auch hier wurde ein Dokument eingefordert. Da mir recht schnell bewusst wurde, dass hier aber kein Dokument mit speziellem Inhalt vonnöten war, sondern nur eines, dass er so lange mit über die Brille gehobenen, messerscharfen Augen sezieren konnte, bis mir seine Autorität vollends einleuchtete, habe ich ihm schnell die deutsche Bestätigungsemail meiner Fahrradbuchung ausgehändigt. Verzweifelt, wie Gandalf vor den Toren Morias, studierte der berufsbedingt skeptische Mann also den Ausdruck. Endlich, als mir sein träges Kopfnicken zu verstehen gab, dass er jede Letter meiner Muttersprache entschlüsselt hatte, ließ er mich passieren und ich durfte das Flughafengelände verlassen. Ich hätte ihm wahrscheinlich auch genauso gut den Einkaufszettel, auf dem meine letzte Vorratsbeschaffung vor dem Flug dokumentiert war, zeigen können.

Ich hatte Glück, denn zu dieser späten Stunde war nicht viel los am Außenbereich des Flughafens und ich konnte mich relativ gut bewegen. Relativ, denn ich hatte ja immer noch den klobigen Karton unter meiner linken Schulter. Nicht lange jedoch, denn mir wurde sogleich beim Tragen des Kartons geholfen. Dazu stand der Bus in Richtung Dakar bereit und ich zahlte den mir schon bekannten Preis für mich und mein Fahrrad. Das mag vorerst nicht erwähnenswert erscheinen, wird aber auf dieser Reise Seltenheitswert besitzen. Nach ungefähr 30 Minuten Wartezeit auf weitere Fahrgäste ging es los und endlich wurde mir klar, warum die Fahrt so teuer war. Ursprünglich glaubte ich, dass sich meine Unterkunft direkt neben dem Flughafen befände und wunderte mich so einerseits über die teuren Taxipreise, andererseits aber auch über den niedrigen Preis der Unterkunft. Mir war jedoch die ganze Zeit nicht bewusst, dass ich am neuen Flughafen, 50 Kilometer außerhalb von Dakar landen würde. Der innerstädtische Flughafen, den ich als Zielort ausgemacht hatte, wurde nämlich vor kurzem von diesem hier abgelöst.

Nach einer länger als vermuteten, aber ruhigen und wenig spektakulären Fahrt, sollte ich in Grand Yoff, dem Busbahnhof in der Nähe meiner Unterkunft ankommen. Dort standen dann wie verabredet zwei junge Männer mit ihrem Taxi Transporter bereit. Sie waren einfach auszumachen, waren sie doch die Einzigen, die mich nicht schon beim Aussteigen mit „Taxi“-Rufen überfielen, sondern ganz entspannt am Transporter lehnten, wohlwissend, dass ich früher oder später ihr Schild mit meinem Namen sehen würde.

Der Fahrer und sein Freund hießen mich alsdann in ihrem Land willkommen und schwärmten gleichermaßen von dem Meinigen. Ich fühlte mich nun gut aufgehoben und war erleichtert, dass der gesamte Transport nicht in großen Problemen endete. Das Potential dazu hatte er sicherlich, denn auch die Taxifahrer hatten Schwierigkeiten meine Unterkunft zu finden. Nach einem Telefonat mit meinen Gastgebern jedoch, haben sie das Sträßchen neben der Hauptstraße, gegenüber einer winzig kleinen und leicht übersehbaren Brücke gefunden. Viel mehr konnte ich nicht erkennen, denn anders als am Flughafen war es hier tatsächlich dunkel.

Angekommen in der Unterkunft, hießen mich meine zwei Gastgeberinnen willkommen. Allerdings nur kurz, denn es war schon spät und jeder von uns wollte nur so vor Müdigkeit ins Bett fallen. Ich bezog also mein Zimmer, stöpselte das Kabel des Ventilators in die Steckdose, legte mich zum Schlafen bereit in die Daunen und hatte Durst. Ich hatte ganz vergessen nach Wasser zu fragen, wollte nun aber auch nicht mehr die Nachtruhe stören. Während ich also jede Minute zwei Liter Wasser über meine Haut an mein Bettlacken abgab, wich mein Bedürfnis als Gast einen guten ersten Eindruck zu machen, dem immer stärker werdenden Drang nach etwas Flüssigem. In meinem Kopf ging ich alle verbleibenden Optionen durch: Sollte ich jetzt schon meinen Prinzipien untreu werden und die Großstadtwasserleitung austrinken? Oder könnte ich nicht vielleicht in die Küche gehen und einen kleinen Teil der Wasservorräte meiner Gastgeber entwenden? Da mir ein gutes Verhältnis mit den Gastgebern wichtiger als mein eigenes Überleben erschien – schließlich möchte ich hier einige Sachen für einen Monat lagern – entschied ich mich vorerst dazu, es nochmal mit dem Einzuschlafen zu probieren. Allein, es wollte aufgrund der Hitze nicht gelingen.

Dazu fing es wie aus dem Nichts an zu regnen, als würde jemand einen See über der kleinen Straße, mit der winzig kleinen Brücke, ausschütten. Wasser, überall Wasser, nur nicht, den trockenen Speichel ausgenommen, in meinem Mund. Während der Schauer nicht für die erhoffte Abkühlung sorgte, unterhielten sich, ganz zum Geschmack meiner vertrockneten Seele, Blitz und Donner vor meinem Balkon. Ich fühlte mich schlecht, hinterfragte jetzt, zum unmöglichsten Zeitpunkt, meine Entscheidung allein einen Monat durch Senegal und The Gambia zu radeln. Jetzt, wo ohnehin alles zu spät war und es kein Zurück gab. Die Fragen drehten müde noch einige langsame Kreise, bevor dann doch endlich der Schlaf über mich einherfiel und zugleich meine Sorgen mitnahm.

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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