Strandurlaub vor Fahrradtour
Da ich seit einem Monat ein paar Kilo mehr auf die Waage brachte, plante ich in weiser Voraussicht eins, zwei Ersatzschläuche zu kaufen. Mir stellte sich nur die Frage: Wo kauft man in Dakar Fahrradschläuche? Meine Suche im Internet endete schnell und kläglich bei einem sehr bekannten Billigsportartikel-Anbieter aus der westlichen Welt. Bevor ich jedoch in die Innenstadt aufbrach, hievte ich zuerst einmal mein Fahrrad aus dem Karton und baute jenes sogleich auf. Sollte es durch den Flug irgendwie beschädigt worden sein, hätte ich mir die Einkaufstour sparen können, oder die Reise wahlweise auf einem Esel antreten können. Jeder Schritt des Zusammenschraubens war mittlerweile gut einstudiert. Ich war in wenigen Minuten fertig und das Fahrrad betriebsbereit. Lediglich den Schmutz an den Händen kriegte ich auch durch mehr und mehr Übung nicht reduziert. Kurz darauf, dieses Mal entschied ich mich für den Bus, machte ich mich auf den Weg in die Stadt.
Auch dieses Mal hat es über Nacht geregnet und so entkam ich nur mit höchster Achtsamkeit und danke der winzigen Brücke am Wegesrand den matschigen, karamellbraunen Pfützen. In ähnlichem Farbton offenbarten sich meinen Augen in unregelmäßigen Abständen Pferde. Ein weiteres Verkehrsmittel, allerdings eher für den Güterverkehr. Vor ihnen meist ein Kübel Wasser. Von dem ganzen Trubel, der jeden Tag aufs Neue die Straße belebte, kriegten sie wahrscheinlich nichts mit, sahen sie doch nur den Eimer vor ihnen – der Rest verdeckt von Scheuklappen. Geradeaus und nach zwei Pferden rechts befand sich dann die Bushaltestelle. Während ich wartete, erfuhr ich, dass das neue Busunternehmen „Dakar Dem Dik“ einen passablen Ruf genießt, was in einer afrikanischen Riesenmetropole schon eine ehrbare Leistung darstellt. Regelmäßig hielten die quietschenden Busse an der Haltestelle, gut besucht, aber nie überfüllt. Einen Fahrplan gab es, soweit ich es mitbekommen habe, nicht, meine Befürchtung, dass ich bis in alle Ewigkeit warten würde, stellte sich jedoch als falsch heraus. Nach ungefähr 20 Minuten sah ich den Bus mit meiner Nummer. Nach Betreten des Busses wendete ich mich dem Ticketverkäufer, der hinter silbernen Gittern in einer Art Kassenkäfig saß, und zahlte den geringen Betrag.

Die Verkehrsdichte in Dakar kann sicherlich nicht als luftig beschrieben werden, ankommen tat ich trotzdem an gewünschter Stelle. Voller Erwartung ging ich also zu der auf der Karte beschriebenen Stelle und sah viele kleine Geschäfte, aber noch keinen großen Sportmarkt. Vielleicht würde er etwas kleiner sein, redete ich mir, mit einem flauen Gefühl im Magen, ein. Ich lief einmal um den Barackenblock herum, doch mehr als eine erdige Baustelle erblickte ich nicht. Vielleicht bauten sie gerade um – aber so grundlegend? Heute würden sie wohl nicht mehr fertig werden.
Etwas ratlos schaute ich nochmal auf die Karte. Ich versuchte es so sehr ich konnte, doch die pure Anwesenheit des Ladens auf der Karte konnte an der Baustelle vor mir wirklich nichts ausrichten. Glücklicherweise fand ich noch einen zweiten, weiter entfernten Standort des besagten Unternehmens. Ich weigerte mich erneut in die einfache Lösung des Taxis zu fliehen, nur hatte ich auch keinerlei Idee, welcher Bus mich dorthin bringen würde. Ich tat also was man als verirrter Fremder tut, ich fragte die Bewohner dieser Stadt, am besten die, die nicht vor mir fliehen konnten: Ladenbesitzer. Ich hatte Glück, denn schon die zweite Person, die ich fragte, erlöste mich von dem französischen Trauerspiel, welches ich darbot und redete mit mir auf Englisch. Er selbst war Besitzer eines Angelladens, war aber so überaus freundlich, mir nicht nur zu sagen, dass es in einem Angelladen kein Fahrradequipment gibt, sondern verließ mit mir, auf der Suche nach einem Bus, den Laden. Er begann eine lange Serie eifriger Gespräche und hartnäckiger Verhandlungen mit Anwohnern und Taxifahrern, bis plötzlich ein Bus die bislang noch ruhige Straße terrorisierte. Alle Involvierten wedelten zeitgleich mit ihren Armen den Bus heran und ich stieg, ohne Zeit für eine angemessene Bedankung und schon gar nicht mir weiterführender Überlegung, ein. Und tatsächlich, das konnte ich auf meinem Handy verfolgen, fuhr der Bus in die richtige Richtung.
In der Nähe des Hafens, keine schöne Gegend, fand ich tatsächlich wonach ich suchte und war einer von maximal drei Kunden in dem überdimensionierten, modernisierten Laden. Ich fand das wonach ich suchte und dazu sogar noch eine Art Schaum, den ich im Falle eines Plattens in den Schlauch pumpen kann. Es war schon zu spät, um woanders hinzufahren und etwas zu unternehmen, aber auch noch zu früh, um nach Hause zurückzukehren. Also erkundigte ich mich noch ein wenig in der Gegend. Meine Karte, die ihre Verlässlichkeit heute bereits unter Beweis stellen durfte, offenbarte einen kleinen Strand ganz in der Nähe. Ich erwartete keine Palmen und schon recht keinen eisgekühlten Drink, aber mindestens schonmal einen Ort, an dem ich meine Füße im Sand vergraben konnte. Je näher ich dem Meer kam, desto größer wurden meine Zweifel, ob sich mein Wunsch heute erfüllen würde. Jedenfalls hat mich bisher noch nie eine schnurgerade, breite und dichtbefahrene Straße zu einem Strand geführt. Vor allem nicht eine, an der die einzige Gemeinsamkeit aller Autos die war, dass sie LKW’s waren. Nun wurde auch mir klar, dass ich nicht einfach an irgendeinem Hafen bin, sondern an einem der größten und schlecht-riechenden Industriehäfen Westafrikas. Es war nicht mehr nur der Geruch von Öl; als ich in eine sandige Seitenstraße abbog, hier erhob sich ein letztes Mal meine Hoffnung nach baldigem Strandbeginn, überkam mich auf einmal eine in Öl verklebte Geruchsmischung aus verrottetem Fisch, Urin und Schweiß. Mein eigener Schweiß wohlgemerkt, ganz anders als beim Urin, hoffte ich. Ich hörte auf zu Atmen und drehte sofort um. Ab heute durfte dieses Ereignis als Ausrede dafür herhalten, warum ich in Senegal nicht ein einziges Mal Fisch probieren sollte.

Den Rückweg, nun also doch, trat ich mit dem Taxi an, denn ich hatte in dem übelriechenden Distrikt nicht die nötige Geduld wie noch heute Mittag. Zuhause angekommen, beschloss ich eine erste kleine Runde mit dem Fahrrad zu drehen – auch um mir einen Teil der großen Anspannung zu nehmen. Das Fahrrad rollte super, ich hatte sichtlich Spaß und motiviert war ich von den sich annähernden Regenwolken auch noch. Ich düste die Straßen hin und wieder zurück. Nach den ersten zwei Tagen, ich kaufte mir noch ein paar Reisevorräte, war damit alles erledigt, was ich vor der Tour noch erledigen musste. Ich aß ich ein letztes Mal Pasta mit Tomatensauce und schlief nervös ein.

