Luxemburg

Ein erster Rundgang

Wie bei einer von Vati gebauten Modelleisenbahn formen sich Felsen, Täler, Flüsse und Bäume in Luxemburg zu einer pittoresk anmutenden Landschaft. So jedenfalls besagen es die vielen Reiseführer, die ich nicht gelesen habe. Da wo mein erster Spaziergang begann, war allerdings noch nicht sonderlich viel von künstlich auf eine Holzplatte geklebten Plastikbäumen, an deren Boden zu dick aufgetragener und hart gewordener Klebstoff rausragte, zu sehen. Geschweige denn von schönen Landschaften. Dafür ging es architektonisch heiß her, denn ich startete im Europazentrum Luxemburgs – dem Kirchberg-Plateau.

Morgens waren die breiten Straßen zwischen den vielen kolossalen Glasbauten wie leergefegt. Nur ein paar Sportler rannten mal links, mal rechts an mir vorbei. Mutterseelenallein passierte ich das Hauptgebäude der Europäischen Investmentbank und das des Europäischen Gerichtshofes. An einem Sonntag gab es hier, trotz der gläsern-transparenten Bauweise der hallenartigen Komplexe, nicht viel zu sehen. So steuerten mich meine Füße, oder war es mein Kopf, auf der Suche nach etwas grünem in Richtung des Stadtparks, in dem mir sogleich mehr Menschen entgegenkamen.

Ob in der Gruppe, zu zwei oder allein: Die Mehrheit dieser Menschen sprach. Die einen mit dem Gegenüber, die anderen mit ihrem Handy. Doch ich vernahm weder vornehmlich Luxemburgisch, Französisch, Deutsch oder gar Englisch. Die Sprache, die am häufigsten meine Ohren umsäuselte war portugiesisch. Portugiesische Jogger, Businessmen, Touristengruppen…selbst mein Mitbewohner ist ja einer! Kein Wunder, sind mittlerweile fast 20% der luxemburgischen Bevölkerung portugiesischer Abstammung. Auslöser dafür waren die ersten portugiesischen Gastarbeiter, die in den 50er und 60er Jahren nach Luxemburg kamen. Doch nicht nur die Wessis der iberischen Halbinsel sind in Luxemburg reichlich an der Zahl, im Prinzip trifft man hier die ganze Welt, schließlich ist jeder zweite Bürger kein gebürtiger Luxemburger. Genug der Daten und Fakten, ich schreibe ja schon so, als würde ich nur hier sein, um für ein statistisches Amt zu arbeiten…

Als ich dann endlich das historische Stadtzentrum erreichte, fielen mir sofort die verschiedenen Ebenen, auf denen sich das kleinstädtische Leben abspielte, auf – komme ich selbst doch aus dem platten Berlin. Der große Müggelberg in meinem Berlin Köpenick bringt es gerade einmal auf 114 Meter und liegt damit nur sechs Meter niedriger als die größte Erhebung: Die Arkenberge in Pankow, welche bezeichnenderweise reine Deponieberge sind.

Hier in Luxemburg gab es jedoch tatsächlich die Modelleisenbahnlandschaft mit idyllischem Flusstal, Häusern mit schönen Dächern und in den Felsen geschlagene Stadtmauern. Lief man oben hatte man eine schöne Aussicht aufs Tal, lief man unten hörte man das Rauschen des Flusses – und jede der vielen Perspektiven ermöglichte die Sicht auf immer neue Panoramen. Man wäre geneigt gewesen sie alle mitzunehmen, wären da nicht die vielen Stufen gewesen, die so unweigerlich zur schönen Landschaft gehörten wie die Alzette mit ihren Viadukten. Und noch bevor ich die Geschichte der Stadt mitsamt den Kirchen, Mauern und Märkten beschreiben konnte, ging mir vom Treppensteigen der Atem aus. So endete also mein erster Spaziergang durch Luxemburg Stadt halbtot und ächzend auf einer der vielen Stufen. Es soll trotzdem nicht der letzte gewesen sein.

André

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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