Von Fahrstühlen und Lacrosse
Nachdem mein letzter Ausflug halbtot auf den Stufen der Kasematten endete, nahm ich mir vor für das nächste Mal einen anderen Weg für die Besteigung der ehemaligen Festung zu suchen. Ohne dass es jedoch großartig geplant gewesen wäre, stieß ich bei meinem nächsten Spaziergang durch eines der vielen, kleinen Täler unverhofft auf einen Fahrstuhl, der innerhalb weniger Sekunden 65 Meter gen Himmel schoss, um mich sogleich oberhalb des Pfaffenthals auszuwerfen. So einfach geht das also, wenn man nur weiß wo. Allerdings blieb ich, ganz zum Wunder der Einwohner im Fahrstuhl stehen, denn ich wollte noch ein paar Runden drehen. Eine Ortskundige machte mich, sobald sie gemerkt hat, dass ich wohl ein Tourist gewesen sein musste, darauf aufmerksam, dass es noch viel bessere Fahrstühle mit noch faszinierenden Aussichten geben soll und zeigte mit ihrem Zeigefinger auf irgendwelche Felsbrocken in der Distanz. Ich bedankte mich für die Aufmerksamkeit und setzte meinen Weg fort.



An diesem Tag hatte ich mich über eine App, die sowohl eingefleischte Luxemburger als auch Besucher dieser Stadt benutzen, für einen sogenannten „Sprachtisch“ in einer Bar verabredet. Ziel war es möglich viele Menschen unterschiedlichster Muttersprachen zusammenzubringen, damit diejenigen, die in einer Sprache noch Verbesserungspotential haben vom Gegenüber lernen zu können. Als „Deutschlehrer“, ich hatte leider meinen Rotstift vergessen, um große A´s und G´s auf die Bierdeckel kritzeln zu können, half ich einem ehemaligen britischen Psychologieprofessor, einem jungen finnischen Bankangestellten und einer französische Personaldame bei der Navigation durch die deutschen Sprachgebilde. Bei Schwierigkeiten rutschten wir regelmäßig ins Englische ab und wechselten irgendwann zum Französischen, woraufhin mein Gesprächsanteil erstmal drastisch sank und sich nur sehr langsam erholte. Da wir nicht nur zu viert waren, sondern insgesamt um die 20 Leute, ergaben sich immer wieder neue Gespräche in immer neuen Sprachen. Es gab natürlich auch einen Tisch zum Üben der luxemburgischen Sprache, doch den ließ ich dieses Mal noch aus.
Allgemein weiß ich immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn Leute mich auf Luxemburgisch ansprechen. Einerseits versteht man als Deutscher so gut wie immer die Essenz des Gesagten, man kommt also erst einmal nicht auf die Idee dem Gegenüber mitzuteilen, dass man ihn oder sie nicht versteht – man tut es ja und man kann daraufhin auch passend und nicht nur aus Verlegenheit emotional reagieren. Verbal, andererseits, sieht das anders aus. Man kennt kein Wort dieser Sprache und kann somit auch nicht antworten. Auf Deutsch zu entgegnen scheint mir, obwohl so gut wie jeder Luxemburger Deutsch spricht, etwas arrogant und so nuschle ich immer etwas, in einem beliebigen deutschen Dialekt, in meine dicke Winterjacke, darauf hoffend, dass das Gespräch somit vorbei ist. Im Bus neulich sagte ein Mann hinter mir sowas wie „Ja, ich muscha ma rausch.“ Ich entgegnete „Ja, ick och.“ und war überzeugt davon verstanden worden zu sein.
Die App jedenfalls scheint ganz fantastisch zu sein, denn ich habe sie gleich nochmal genutzt, um kostenlos bei einem Probetraining im Lacrosse mitzumachen. Lacrosse, das ist der Teamsport in dem man in Rugby-Ausrüstung und einer Art Hockeyschläger mit Auffangnetz den Ball übers Feld schleudernd ins Tor des Gegners befördern muss. Insgesamt spielen zehn gegen zehn Spieler auf einem Feld mit zwei Toren, es geht aber wie beim Eishockey hinter den Toren noch weiter. Die Defensivspieler haben alle einen längeren Stock, um etwas bessere Aussichten beim Verteidigen zu haben, die Angreifer und Mittelfeldspieler spielen alle mit der gleichen, etwas kürzeren Stocklänge. Die Torhüter, ganz hinten haben einen Schläger, der etwas so aussieht wie ein Schmetterlingfangnetz – also wesentlich größer, als das der Feldspieler.
Auch ich musste das alles erst einmal nachschlagen, ich dachte erst Lacrosse wäre irgendwas mit Pferden gewesen. Pferdeküsse gab dafür jedoch nicht zu wenig, denn der Sport stellte sich als recht physisch heraus. Ich als Anfänger blieb zum Glück verschont, ich ahnte aber bereits die Strategie dahinter. Dieses Mal behandelten sie mich gnädig, doch sobald ich dem Verein beitreten würde, würde es Tritte und Hiebe bis zum Umfallen setzen. Als ein Mitspieler einmal klagend auf dem Boden blieb, wurde ihm direkt ans Herz gelegt, doch bitte auf den Fußballplatz nebenan zu wechseln. Das Spiel machte mir auf jeden Fall einen Haufen Spaß. Besonders schwierig war es den Ball mit dem recht kleinen Auffangnetz, das am Schläger befestigt ist aufzufangen. Wenn das Rund dann einmal auf den Boden gefallen war, musste man es erst wieder aufschaufeln, was sich auch nicht als ganz einfach herausstellte. Total erschöpft vom planlos in irgendwelche Richtungen rennen und eh nie den Ball im Tor unterbringen, ging es dann zurück in die Kabinen und schließlich nach Hause. Morgen wird über Meetup eine 13 Kilometer lange Wanderung im Umland der Stadt, also wahrscheinlich entweder in Frankreich, Belgien oder Deutschland, stattfinden und ich werde natürlich dabei sein.
André, 22.02.2020


2 Comments
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Hört sich ein bisschen an wie Quidditsch auf dem Boden.
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