Das Karma sei mit dir!
Ein kleiner, schön geschriebener Text. Dazu ein idyllisches Bild im Reiseführer und schon lenkt uns die Reise weg von der Hauptroute und führt uns in einen kleinen Ort komplett abseits der anderen Reiseziele. Wir sitzen also im Bus und fahren nach Bundi. Fünf Stunden lang fährt der Bus über holprige Straßen und wir kämpfen mit unseren Mägen. Mein schlauer Reiseführer hat uns Bundi ans Herz gelegt, weil dieser Ort verschont geblieben sein soll, von den Einflüssen der Globalisierung. Gut aber, dass sofort ein Taxi für uns bereit steht, das uns zu unserer Unterkunft fährt. Doch Bundi ist tatsächlich unberührt vom Massentourismus. Lediglich Individualreisende, die einen kleinen, schönen geschriebenen Text und dazu ein idyllisches Bild im Reiseführer entdeckt haben, führt es in diesen kleinen Ort.
Am nächsten Morgen erkunden wir in Bundi vor allem das Fort (mal wieder!). Doch jedes Fort ist unterschiedlich. Erstaunlich jedoch, dass auch in solch kleinen Örtchen solche Symbole der Macht erbaut wurden konnten. Während das Amber Fort eher durch seine Größe sowie seine außergewöhnliche Lage bestach, fasziniert das Fort in Bundi durch seine ruinenartige Verlassenheit. Während wir jeden kleinsten Winkel des Forts erkunden, treffen wir vielleicht zwei andere Touristenpaare.
Heute ist es furchtbar heiß und damit sind die Bedingungen für solch ein Unterfangen auch nicht optimal, aber wir haben auch keine Zeit zu verlieren. Teilweise wirken die Gemäuer so, als könnten sie jeden Moment einstürzen. Doch man kann so gut wie jede Treppe besteigen und sich tatsächlich in die damalige Zeit zurückversetzt fühlen. Gemälde an den Wänden und Verzierungen entlang der Mauern im Innenhof lassen erahnen, wie viel Leben hier einst vor 200 Jahren herrschte. Passiert man das Eingangstor baut sich vor einem ein schöner, grüner Innenhof auf, der von mehrstöckigen Türmen und Sälen mit Balkonen umgeben wird. Beim Erkunden der Gänge, die die Balkone verbinden, begegnet mir ein sich im Schatten ausruhender Hund. Hier und da fliegt mir eine Fledermaus um die Ohren.
Von der Hitze noch nicht genug, machen wir uns mit einem Stock, der uns zur Verteidigung gegen die wilden Affen von einem Wärter gegeben wurde, auf den Weg zum Aussichtspunkt. Alles ist verlassen. Niemand weit und breit. Einzig allein der Geruch vom Berliner Raubtierhaus schwebt in der Luft. Ein Grund, der uns nicht allzu lange am Aussichtspunkt verweilen lässt.
Leider haben wir keinen allzu langen Aufenthalt in der bläulichen Stadt Bundi. Viele Häuserwände wurden hier mit blauer Farbe bestrichen. Am Nachmittag fahren wir schon wieder mit dem Taxi zur Busstation. Bevor unser Bus ankommt, kommen viele junge Inder auf uns zu, die alle zusammen ein Gruppenfoto mit uns machen wollen. Als wir ihnen unsere Namen auf ein Blatt Papier schreiben und dieses ihnen überreichen, strahlen sie wie die Sonne.
Der Bus fährt uns über noch holprigere Straßen nach Pushkar – einem heiligen hinduistischen Wallfahrtsort. Während die Jungs an der Busstation noch mit zwei, drei Fotos zufrieden waren, will mein Sitznachbar ein Foto nach dem anderen, bis ich etwas genervt bin und ihm sage, dass er jetzt genug Fotos hat. Immerhin hat er jetzt ein neues WhatsApp Profilbild.
Gut in Pushkar angekommen, lese ich in meinem Reiseführer, dass man hier besonders vor Tricksern aufpassen muss. Diese nutzen den heiligen See, in dem sich die Pilger nach erfolgreichem Pilgern baden, um Touristen dorthin zu locken und an einer Zeremonie teilzunehmen. Natürlich nicht ohne um eine Spende in der Höhe „as you like“ zu bitten – was so viel heißt wie 500-1000 Rupien, also 7-13€. Diese Zeremonie hat aber nichts Religiöses sondern dient lediglich der Geschäftemacherei. Wir sind also gewarnt!
Es kommt, wie es kommen musste. Gerade einmal eine Minute sind wir im Zentrum des kleinen Örtchens unterwegs und schon kommen Leute auf uns zu und wollen uns Lotusblütenblätter in die Hand legen. Beim ersten Mal lehnen wir noch ab, doch beim zweiten Mal, wird uns gesagt, dass es nichts kostet und so akzeptieren wir es, um nicht unhöflich zu erscheinen. Diese Lotusblütenblätter in der Hand sind das Zeichen für die nächsten, in das Business involvierten Männer. Sie kommen auf uns zu und wollen uns dazu überreden zum See zu gehen. Ich sage, ich will vorher noch ein wenig shoppen. Sie entgegnen uns, dass die Zeremonie gleich vorbei ist und alles kostenlos ist. Wir folgen unwillig. Aber wir folgen.
Vor Ort angekommen, wird mit uns exakt die Zeremonie durchgeführt, über die ich gerade noch gelesen habe. Während dieser packe ich meinen Reiseführer raus und lese nochmal alles genau durch. Ich empfinde das nicht als sonderlich unhöflich, schließlich telefoniert der „Prediger“ vor mir auch während der ach so religiösen „Zeremonie“. Zig Pseudo-Rituale und „Gebete“ später kommt es zu dem Punkt an dem dann um die Spende in der Höhe „as you like gebeten“ wird. Ich sage „Nein“ und bin empört und gereizt über diese krasse Unverschämtheit. Doch da man sich nicht zu 100% sicher sein kann, dass es nicht doch was Religiöses ist und man natürlich in diesem Fall die Sitten respektieren will…komme ich nicht drum herum auch etwas zu spenden. Da die Herren sichtlich aggressiv werden und ich jeglichen gewaltsamen Konflikt vermeiden will, gebe ich ihnen also etwas Geld. Immerhin kann ich von 1000 Rupien auf 200 Rupien runterhandeln. Als Entschädigung haben wir immerhin ein rote-gelbes „Ich-bin-ein-dummer-Tourist-und-wurde-verarscht-Band“ erhalten, welches nun jeder sehen kann.
Meine Haltung gegenüber diesem Ort hat sich sichtlich verschlechtert, was auch die Kuh neben mir merkt. Sie rammt ihren dicken Schädel leicht gegen meine Hüfte und ich flüchte mit Lucas in ein Roof Top-Restaurant. Wie hat schon ein bekannter Philosoph gesagt: „Reisen heißt es an Grenzen gehen!“ Oder so ähnlich.
Wir beschließen den Tag noch nicht zu beenden und wollen auf einen Berg kraxeln, von wo aus man einen schönen Blick auf das Örtchen am See haben soll. Auch der leichte Regen hindert uns beim Aufstieg nicht am Schwitzen – doch wie immer wird man mit einer herrlichen Aussicht belohnt! Am Ende der Regenzeit sind die sonst so trockenen Gebiete um den See grün und saftig.
Bevor wir am nächsten Tag weiter fahren, gehen Lucas und ich zum Friseur. Kurz davor haben wir uns noch gefragt, wie wir es schaffen mit Indern ins Gespräch zu kommen, ohne über „Business“ zu reden. Schließlich verurteilen wir niemanden im Voraus, nur weil wir von ein paar Männern verarscht wurden. Prompt haben wir beim Friseur das große Glück einen sehr gebildeten, englischsprechenden Inder zu treffen, der uns auch nochmal aufklärt über die angeblichen Zeremonien. Unser „gespendetes“ Geld wird auch nicht an eine Charity gespendet, sondern landet natürlich in den Taschen der Gauner.
Während Lucas vom Friseur verprügelt wird, da er sich wie ich auch noch eine Massage gönnt, erklärt uns der junge Mann daneben wie Karma funktioniert. Es gibt zwei Ereignisse, die man nicht beeinflussen kann. Die Geburt und den Tod. Für die Zeit dazwischen ist man selber verantwortlich. Glück welches man anderen beschert, hält sich über lange Sicht die Waage, mit dem Glück, was man erhält. Genauso verhält es sich mit Pech. Allerdings darf man das Glück nicht ungeduldig erwarten, nur weil man gerade etwas gegeben hat. Man muss es auf sich zukommen lassen und irgendwann ist das Glück dann da. Das schöne und ehrliche Gespräch sehen wir als Ausgleich zu der Zeremonie am See.



One Comment
kklike
Das heißt doch aber der Karma (Werner, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Werner_Karma)
😄😄😄