Das 8. Weltwunder – Der Ngorongoro-Krater
Frühstück um 8. Kurz nachdem ich die Safari gebucht hatte, hatte ich mir vorgestellt, dass man zu der Zeit schon im Nationalpark ist und nach Tieren Ausschau hält. Doch wir sitzen, heute zu viert, gemütlich am Frühstückstisch. Ich probiere zum ersten Mal eine heiße Schokolade, gemixt aus Kakaopulver, Milchpulver und heißem Wasser. Das Ergebnis ist nicht so schlecht wie ich dachte, allerdings immer noch nicht gut. Wir haben einen neuen Freund aus Buenos Aires, Argentinien mit am Tisch sitzen, der sich uns heute anschließt. Sebastian hat zuhause ein Start-Up Unternehmen gegründet, was so ähnlich wie SAP funktioniert. Auf Nachfrage bestätigt er, dass Leute aus Buenos Aires einen sehr merkwürdigen Dialekt sprechen.
Weil unser Guide noch irgendwas erledigen muss, müssen wir ein bisschen warten, bevor es tatsächlich losgeht. Wir hüpfen nach einer Weile zu viert in den Jeep und stellen fest, dass nur noch jemand aus Australien fehlt, damit jeweils eine Person aus jedem Kontinent in diesem Auto sitzt. Von der Antarktis mal abgesehen. Dazu kommen wir alle, bis auf unseren Guide, aus der Hauptstadt unseres Landes, oder immerhin aus der Nähe. Der Ngorongoro Nationalpark ist bekannt für seine riesige Kaldera, ein wahnsinnig großer Krater, der vor Millionen von Jahren durch vulkanische Aktivitäten entstanden ist. Heute dient der Krater wortwörtlich als Sammelbecken für so ziemlich alle Tiere, denen man auf einer Safari begegnen will. Schon als wir den Aussichtspunkt erreichen und runter in den Kessel gucken, bin ich vom Anblick überwältigt. Diese Schüssel ist 16*20 Kilometer groß. Erdstraßen schlängeln sich durch viele Teile des Parks.
Die Fahrt runter dauert eine Weile. Anders als im Tarangire Nationalpark gestern, wird man hier nicht sofort am Eingang von allen möglichen Tieren empfangen. Beim Eintritt in den Ngorongoro bewegt man sich zuerst durch ein sehr steiles, dschungelartiges Biom, in dem man Tiere, selbst wenn es sie gibt, nicht ausmachen kann. Sobald es flacher wird, hört auch der Dschungel auf und wir befinden uns auf einer riesigen, hügeligen Grasfläche. Egal wo man hinguckt: Überall sehen wir Zebras, die wir gestern gar nicht zu Gesicht bekommen haben. Wir fahren die Wand des Kraters herunter und betreten die riesige Fläche.
Es ist unglaublich. Ich kann in jede Richtung Kilometer weit gucken, da in dem Krater hauptsächlich Grasland vorzufinden ist. Die Fläche, die von einigen als das 8. Weltwunder bezeichnet wird, wirkt wie ein riesiger, natürlicher Zoo. Links, rechts, vor mir und hinter mir sehe ich Unmengen von Zebras, Gnus, Wasserbüffeln und Antilopen, doch begrüßt in der Caldera wurden wir von einem anderen Tier.
Noch während wir die Steilwand herunterfahren, hält unser Guide an und meint, wir sollen nach links gucken. Im Schatten der Bäume liegt tatsächlich ein männlicher Löwe und ruht sich aus. Es ist Mittagszeit und somit keine gute Zeit um zu jagen. Wir können ein paar Fotos schießen. Ich habe Glück, denn sowohl Katie als auch Sebastian haben gute Fotokameras mit und legen drauf los – bevor der Löwe im Buschwerk verschwindet.
Obwohl man so weit schauen kann, kann man viele Tiere erst erkennen, wenn sie relativ nahe an einem dran sind. So langsam gewöhnt man sich an den Anblick von Zebras und Gnus, auch wenn es immer wieder fantastisch ist, diese Tiere aus kurzer Distanz zu sehen. Der Park wirkt friedlich. Man hat nicht das Gefühl, dass die Tiere in ständiger Angst vor den Raubtieren leben, wie es immer in Dokus suggeriert wird. Uns laufen, wie auch schon im Tarangire National Park, Strauße über den Weg und einmal sehen wir sie sogar rennen. Kurz bevor wir Mittag essen entdecke ich ein Flusspferd. außerhalb des Wasser. Das ist tagsüber sehr unüblich, da die Haut der Flusspferde sehr empfindlich gegenüber der Sonne ist. Es befindet sich allerdings nicht unweit vom Wasser entfernt und verschwindet auch bald hinter ein paar Sträuchern.
An einem kleinen See treffen sich alle Safari-Jeeps, die heute unterwegs sind zur Mittagspause. Im See baden gerade gut zehn Flusspferde, während Adler und andere Vögel über uns kreisen. Auch wenn es verboten ist die Tiere zu füttern, finden sich wahrscheinlich immer ein paar Essenskrümel auf dem Boden. Gestern noch Opfer einer Affenattacke, wird Katie heute von einem Vogel angegriffen, der mit seinem Schnabel schon in der Mittagsbox ist, bevor sie den Arm wegzieht. Es ist der einzige Ort, an dem man den Jeep verlassen darf. Das Gebiet am See bietet ein wunderschönes Fotomotiv.
Wir setzen unsere Tour fort und nähern uns den Elefanten, die wir schon vor der Mittagspause aus der Ferne sehen konnten. Sie sind die größten Tiere in diesem Nationalpark, denn Giraffen halten sich lieber in Gegenden mit mehr Bäumen auf. Einer der Elefanten scheint ein ganz besonderer zu sein, denn er hat fünf Beine. Die anderen sind damit beschäftigt ihre Tonnen an Gras und 200 Liter Wasser am Tag zu sich zu nehmen. Ein großer See in der Mitte des Parks bildet für viele der Tiere eine tägliche Wasserstelle, doch ein Rudel von Löwen belagert diese Wasserstelle. Über die Zeit nähern sich einige der Tiere aufgrund von Durst immer näher an das Wasserloch, jedoch fahren wir weiter, ehe die Löwen zum Angriff blasen.
Nur mit einem Fernrohr sichtbar, sehen wir ein Nashorn, welches in der Ferne steht. Es gibt leider keine näher gelegene Straße und so müssen wir das Nashorn über ein Fernglas oder den Zoom einer Kamera beobachten. Unser Guide verrät uns, dass sich hier im Krater maximal 15 Nashörner gleichzeitig befinden. Der Bestand wurde aufgrund von Wilderei nahezu ausgerottet. In vielen Ostasiatischen Ländern wird das Elfenbein als Potenzsteigerndes Wundermittel verkauft, während in den Ländern des Orients immer noch Dolchgriffe aus diesem Material gefertigt werden. Der Vorfall letzte Woche in Paris, als Wilderer ein Nashorn nachts im Zoo erlegt haben, zeigt, wie ernst die Situation ist.
Schon jetzt haben wir fast alle Tiere, die man sich von so einer Safari verspricht, gesehen. Die Straßenränder schmückt immer wieder der knöchrige Schädel eines toten Wasserbüffels. Katie und ich sind die einzigen, die noch im Jeep stehen. Zur selben Zeit werden wir lauter und fragen den Guide, was dieses Wesen 50 Meter vor uns ist. Es handelt sich um eine Hyäne. Hyänen sind nachtaktiv und schlafen tagsüber normalerweise in ihren Bauten. Lange können wir ihren Anblick nicht genießen, denn sie entfernt sich zügigen Schrittes von unserem Vehikel. Tom aus Tokio, Japan bekommt die Hyäne gar nicht zu sehen, denn er ist, erschöpft vom Tag, eingeschlafen. Während er schläft, erlaube ich mir, ihn euch vorzustellen.
Tom aus Tokio:

Wir fahren noch ein bisschen im Park entlang und es lohnt sich. Wir sehen eine riesige Büffelherde, die neben uns grast. Kurz danach fährt uns unser Guide zu den „Hippo-Pools“ und die halten was sie versprechen. Der erste Blick auf den Tümpel reicht, um sehen zu können, dass sich dort wahrscheinlich über 50 Flusspferde drin tümmeln – darunter auch einige Jungtiere. Diese kleinen neugeborenen Flusspferd-Stupsel lassen sich tatsächlich leicht mal von der eigenen tonnenschweren Mutter überrollen. Einzig allein der Löwe kann den Flusspferden gefährlich werden. Doch die Hippos wissen sich zu wehren. Mit ihrem Gebiss zerbrechen die aggressiven Pflanzenfresser alles, was ihnen in die Quere kommt.
Die Zeit ist schon vorangeschritten und wir machen uns auf den Rückweg. Eine Kopfsteinpflasterstraße führt von dem Krater über eine Serpentinenstraße hinaus. Der Ngorongoro-Park war wesentlich spektakulärer, als der Tarangire-Park, denn hier musste man sich nicht groß anstrengen viele Tiere zu sehen – sie waren einfach überall. Nachdem wir zurück in unserem Camp sind fragt uns unser Guide nach Trinkgeld. Wir geben ihm zusammen 15 Euro, doch er ist nicht wirklich erfreut und fragt nach mehr Geld. Katie und ich sind nicht wirklich glücklich und erzählen ihm, dass wir eine Safari für viel Geld gebucht haben, von der es hieß, dass alles inklusive sei. Anscheinend sieht der Guide, laut seinen Erklärungen, fast nichts bis gar nichts von dem Geld. Doch wir verharren und sagen, dass wir ihm nicht mehr geben können.
Als auch noch ein Hotel-Mitarbeiter, der vielleicht gerade einmal drei Mal unsere Koffer zehn Meter weit getragen hat, nach Trinkgeld fragt, wird es langsam unangenehm. Uns kann keiner erzählen, dass diese Mitarbeiter nur vom Trinkgeld leben, das können wir uns nicht vorstellen. Wir erklären ihnen, dass wir für die Safari gezahlt haben und nicht bereit sind jedem hier Trinkgeld zu geben.

Katie versichert mir, dass Tansania in dieser Hinsicht besonders ist. Weder in Namibia oder Südafrika hat sie solche Erfahrungen gemacht. Die Leute sind sehr nett, aber am Ende verließen wir das Hotel mit einem schlechten Gefühl, da wir nicht wussten, ob wir richtig oder falsch gehandelt haben. Wir wissen, dass viel Geld alleine für die Nationalpark-Gebühren drauf gehen, aber dass die Mitarbeiter gar nichts verdienen, können wir uns wirklich nicht vorstellen.
Unser Taxi fährt uns zurück nach Arusha und Moshi und es ist Zeit sich zu verabschieden. Die Safari hat echt Spaß gemacht und wurde dem Preis gerecht. Wir waren eine super Gruppe und hatten viel Spaß. Für Katie geht es bald nach Mosambik während ich jetzt, am 15.03 im Bus nach Mwanza sitze. Mwanza liegt am Viktoria-See und ist der Ort, an dem mein Flieger wieder Richtung Heimat geht. Morgen schaue ich mir die Stadt an und hoffe am Abend einen wundervollen Sonnenuntergang am Ufer des mystischen Sees sehen zu können.
Bis dahin,
André, 15.03.2017 – in der Nähe von Mwanza im Bus.

