Allgemein,  Luxemburg

Waldspaziergang ohne Folgen

Gerade jetzt, da der Frühling erwacht, verbreiten sich auch hier in Luxemburg die Nachrichten in Betracht auf das Coronavirus und die einhergehenden Änderungen in unser aller Leben rasant. Hier im kleinen Herzogtum wurde, ganz wie in Frankreich und vielen anderen Ländern, eine Ausgangssperre über die Bewohner verhängt. In Zeiten veränderter Gewohnheiten, kann es mit Sicherheit helfen die Art in der man sein Leben angepasst hat wie man seinen Tag verbringt mit anderen Leuten zu teilen, um zu zeigen, dass wir uns alle gemeinsam durch diese turbulenten Zeiten bewegen.

Da war noch alles normal:

Anfangs, so muss ich zugeben, bemerkte ich die Ausgangssperre kaum. Hier in meinem Viertel bewegen sich ohnehin kaum Leute auf der Straße, die man von meinem Fenster aus beobachten kann.  Zumal die Ausgangsperre auch nicht absolut ist – kleine, individuelle Spaziergänge oder Joggingrunden sind ausdrücklich gestattet, solange man Abstand zu seinen Mitmenschen hält.

Meine Arbeit kann ich von meinem Zimmer aus erledigen, wobei ich immer wieder mit den überlasteten Netzwerken meines Arbeitgebers konfrontiert werde. Jeden Tag, während meiner selbstauferlegten Mittagspause, gehe ich für eine halbe Stunde aus dem Haus und spaziere in dem kleinen Wald nebenan. Auf einmal wirkt dieser so lebendig, mit Singvögeln und in hellen Farben sprießenden Pflanzen – während die sonst so lebendigen Straßen menschenleer sind. Durch meine tägliche Visite beobachte ich genau, wie sich die Natur von Tag zu Tag aus einem braunen, kargen Gerüst dünner Zweige in ein grünes, lebendiges Paradies verwandelt.

Auf meiner heutigen Durchwanderung bin ich auf eine verwahrloste Baracke gestoßen, in der hinter eingeschlagenen Fensterscheiben folgendes geschrieben stand:

Äußerst intellent.

Der Intellekt der luxemburgischen Nazis, die nicht einmal ihren Heiligen korrekt buchstabieren können, scheint sich also dem der deutschen Nazis angepasst zu haben. Die Flagge daneben ähnelt auch eher der Flagge von Hongkong, als der Flagge des dritten Reichs, aber guter Versuch. Leider hatte ich keinen roten Korrekturstift dabei, um ein großes R, für Rechtschreibung, an den Rand der Wand zu sprayen, oder gleich alles zu überdecken.

Was tue ich sonst, um mir die Zeit zu vertreiben? Meine sozialen Kontakte habe ich in Luxemburg vollständig eingeschränkt – übrigens wie all die jungen Praktikanten, mit denen ich hier die Abende zu verbringen pflegte. Keine Corona-Partys, keine Sisha-Abende im abgeranzten Camper im Wald nebenan und auch keine Massenorgien – verdammt, was sind das nur für Einschränkungen. Dadurch, dass immer ein und dieselbe Corona-Party medial aufgegriffen und rezitiert wird, muss einem das Gefühl beschleichen, als wenn die ganze heutige Jugend auf das Schicksal ihrer älteren Mitmenschen defäkiert. Dass dem nicht so ist, wird dem aufgeschlossenem Leser hoffentlich schon bewusst geworden sein. Stattdessen vertreibe ich mir die Zeit mit Beschäftigungen wie dem Lesen, dem Spielen der Gitarre (hoffentlich reißen mir die Saiten nicht jetzt), dem Lernen von Sprachen oder dem Telefonieren. In Zeiten wie diesen, eine Redewendung, die, in Zeiten wie diesen, viel zu oft verwendet wird, kam es sogar vor, dass ich mir nach über fünf Jahren mal wieder Minecraft auf meinem Laptop installiert habe.

Eine ganz bestimmte Tageszeit will ich aus meinem Tagesablauf ganz besonders herausheben – es ist die Zeit von 17 bis 18 Uhr. Dann nämlich schielt die Sonne zum ersten Mal am Tag auch auf meinen Balkon, den sie dann für eine Stunde anlacht, nur um kurz darauf hinter dem nächsten Häuserblock zu verschwinden. Das ist der Moment, in dem ich mich noch einmal auf den Balkon setzen kann, um mir schon so eine Art von Sonnenbrand zu holen.

Was gibt es sonst noch zu berichten? Ich mache mir Hoffnungen und Sorgen zugleich. Um die heutige, Situation, die Situation in einer Woche und jene nach der Pandemie, wenn alles wieder, in welcher Form auch immer, in geordnet ungeordneten Bahnen kreisen kann. Vielleicht schreibe ich auch über diese Hoffnungen und Sorgen demnächst einen kleinen Eintrag, doch für heute muss dies genügen. Um schon eine Hoffnung vorwegzunehmen: Ich wünsche mir, dass nicht nur die, die diesen Beitrag lesen, sondern so viele Menschen wie möglich gesund bleiben.

Bis hoffentlich bald,

André

PS: Wenn das Wort Quarantäne vom italienischen Wort „quaranta“ also „vierzig“ abgeleitet wurde…haben wir es dann schon mit einer Art Vorhersehung zu tun? Nur was 40? 40 Tage? 40 Wochen? 40 Rollen Toilettenpapier? Weitere Denkanstöße bitte in die Kommentare.

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

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