Die Massai – Krieger auf Reisen
„Ich sehe sie jeden Tag. Sie laufen nicht wie wir, sondern bewegen sich auf 2 Beinen. Häufig befinden sie sich direkt vor leuchtenden Gegenständen. Sie sind stark und sehr groß, aber ich bin schneller und gewandter als sie. Ich will sie essen, denn sie sehen lecker aus. Doch ich bin nur ein kleiner Gekko. Menno.“
– aus dem Tagebuch eines Gekkos.
Gestern habe ich nichts gemacht. Mit einem Deutschen, genannt Tobi, den ich hier in der Unterkunft getroffen habe, bin ich einmal kurz Mittag essen gegangen, sonst war es das. Tobi ist etwas länger unterwegs als ich. Angefangen zu reisen hat der 33 jährige vor elf Monaten und war dabei in den USA, in Kanada, in Peru, Chile, Bolivien, Kolumbien, Neuseeland, Australien, Singapur, Indien und jetzt eben Tansania. Keine schlechte Bilanz, aber das habe ich mir auch schon gedacht, als ich seinen prächtigen Bart gesehen habe.
Gestern habe ich auf die Information gewartet, ob ich denn nun schon morgen oder erst übermorgen auf Safari fahren werde. Spät am Abend kam dann die schlechte Nachricht, dass es leider erst am Montag losgeht. Da ich am nächsten Tag nicht genauso faul rumhängen wollte wie heute, habe ich beschlossen zu den Hot Springs, also den heißen Quellen zu fahren.
Fix hole ich mir also noch eine Fahrkarte für die Busfahrt nach Mwanza in 3 Tagen und dann steige ich auch schon in einen Bus, der mich in die Nähe der Hot Springs fährt. In Tansania ist es üblich, dass viele Menschen ihre Haare sehr kurz tragen. Die Mode hier ist prädestiniert für mich. Ich vermute aufgrund der Hitze tragen fast alle Männer und auch ein beachtlicher Anteil an Frauen 0-2cm lange Haare. Im Bus sitze ich heute aber neben einer jüngeren Dame, die ihre langen Haare zu Dreadlocks zusammengeflochten hat. Als die Haare wie eine Bürste die Sonnencreme auf meinem Arm wegschrubben, während der volle Bus über die huckeligen Straßen fährt, kommt mir ein anderer Gedanke, warum viele hier die Haare kurz tragen.
Nach einer guten halben Stunde erreiche ich den Ort Boma N´Gombe. Dort suche ich mir ein Tuck Tuck und werde zu den Hot Springs gefahren. Die Fahrt dauert fast eine Stunde und führt mich durch meist sehr trockene und staubige Landschaften. Nur um Wasserlöcher herum färbt sich die Oberfläche grün vom Gras. Wirklich gut kann dieses Gebiet für Landwirtschaft nicht genutzt werden und doch erscheinen immer mal wieder kleine Felder vor meinen Augen. Meterhohe Kakteen ragen aus der Erde und zeigen mir ihr Hoheitsgebiet.
Regelmäßig überqueren Rinder- und Ziegenherden unseren Weg. Häufig ist der Hirte ein Massai. Jeder Massai ist ein Angehöriger des gleichnamigen Stammes, in den man hineingeboren werden muss. Die Männer, auf allen Gemälden stets sehr groß, dünn und mit roten Umhängen gezeichnet, treiben täglich ihre Tiere über die Felder der Steppen und Savannen. Auch die Frauen übernehmen immer mehr Aufgaben, wie das Melken der Kühe, das Erstellen von Souvenirs für Touristen oder die Suche nach Feuerholz. Die Massai sind Nomaden, haben allerdings immer mehr Probleme bei der Suche nach Weideflächen, da ihr Lebensraum zunehmend von Nationalparks eingeschränkt wird. Da sie keinen Fisch essen und sich auch oft nicht ins Wasser begeben, ernähren sich die Massai sehr häufig vom Fleisch ihrer Nutztiere. Ganz normal übrigens im Leben der männlichen Massai ist es, nicht nur eine Frau zu haben. Das ist vielleicht der „Lohn“ für die harte Jugend, in der sich die Jungen nicht mit Mädchen treffen dürfen und stets dem Willen des Vaters gehorchen müssen.
Mittlerweile beinhaltet der Stamm der furchtlosen Krieger nur noch 22.000 Männer und Frauen. Natürlich musste sich auch dieses Volk den Veränderungen dieser Zeit stellen – ihren Werten sind sie aber weiterhin treu geblieben. Sie leben aber nicht abgeschottet von dem Rest der Bevölkerung, auch wenn sie als Volk in der Zeit des Sozialismus nicht von der Regierung akzeptiert wurden. So durften sie beispielsweise nicht mit ihrem traditionellen Gewand in einen Bus einsteigen. Heute sieht man sie wieder ab und zu in den Bus einsteigen, mit Gewand und ohne Viehherde. Trotz der Trockenheit, durch die wir heute durchgefahren sind, waren die Tiere allesamt gut ernährt und nicht am Verhungern. Das ist wichtig für die Massai, denn eine Heirat kann nicht ohne Vieh als Brautpreis abgeschlossen werden.
Angekommen bei den Hot Springs erwartet mich tatsächlich ein türkises Paradies in mitten dieser trockenen, von einigen Siedlungen belebten Landschaft. Die Oase dient als Auffangbecken für das Wasser und für Touristen. Vor allem am Sonntag sammeln sich hier locker über 50 junge Reisende, hauptsächlich aus Europa. Ich fühle mich ein bisschen wie in Thailand, frage mich aber, wo die ganzen Touristen denn herkommen. Im öffentlichen Bus habe ich keine gesehen und in meinem Ort sehe ich über den Tag verteilt vielleicht drei Weiße. „Nzungu“ werde ich hier oft genannt, denn da Leute, die mich auf der Straße grüßen, meinen Namen nicht kennen, sagen sie ganz einfach: „Guten Tag, Weißer“. In Deutschland kommt die Frage auf: „Darf man das?“ Ich grüße freundlich zurück mit meinen drei Wörtern, die ich mir angeeignet habe.
Zurück zu den Hot Springs: Man konnte, auch wenn die Quellen nicht heiß waren, wunderbar im Wasser baden. Im Wasser knabberten mir kleine Fische die Hornhaut an den Füßen ab, während man auf einem Ast im Wasser saß und zugeguckt hat, wie andere über ein Seil ins Wasser springen. Erst war ich ein bisschen skeptisch, aber als eine Britin zu ihren Freunden gerannt kam und jedem einzeln total hysterisch berichtet hat, dass sie gerade eine Schildkröte in den Armen hielt, glaubte ich auch, dass es hier tatsächlich welche gibt. Wie süüüß! Aber wie kommen die denn hier her? Wahrscheinlich waren es die Briten!
Allzu lange habe ich mich bei den Quellen trotzdem nicht aufgehalten, da mein Host mir empfohlen hat, nicht zu spät meinen Rückweg anzugehen, da ich bei Dunkelheit zurück sein sollte. Gerade jetzt, zurück im Hostel erfahre ich, dass Tobi, der Deutsche aus meiner Unterkunft auf dem Weg nach Dar Es Salaam ausgeraubt wurde, als er im Bus saß. Und er hatte noch überlegt, ob er nicht besser fliegen will. Mein Host schreibt mir, ich solle vorsichtig sein und meine Busfahrt nach der Safari lieber von hier und nicht von Arusha aus beginnen, da er mich so länger beherbergen kann. Bedroht komme ich mir überhaupt nicht vor und ich weiß auch nicht zu 100%, ob das stimmt, dass Tobi überfallen wurde, aber ich sollte ab jetzt mit einem offenen Auge mehr im Bus schlafen. Also ab jetzt mit zwei offenen Augen.
Morgen beginnt die Safari. Am Dienstag komme ich dann hoffentlich wieder zum Schreiben!
Liebe Grüße auch an dein Gekko!
André, 12.03.2017 – Moshi am Kilimandscharo

