Die 3 Elemente
Bei angenehmen 36 Grad Celsius und keiner Wolke am Himmel nutze ich meinen freien Tag, um wieder mal einen längeren Blogeintrag zu schreiben, in dem ich versuche meinen neuen Alltag zu schildern.
Längst ist der Australientrip kein faules Rumschmoren am Strand mehr. Am letzten Tag des Oktobers, zu Halloween, traten wir unseren langen Weg zum Geld verdienen am, in der Hoffnung bald wieder reisen zu können. Und so verschlug es uns in Jobs und Gegenden, die wir beim Reisen nie kennen gelernt hätten. Allerdings ist es mittlerweile Mitte Januar, was heißt, dass wir schon seit zwei ein halb Monaten nicht mehr reisen, mehr als die Hälfte unseres bisherigen Aufenthalts. Die Badehose weint noch die letzten Salztränen aus und der Wasserball hat endgültig keine Luft mehr, während wir nun endlich konstant richtig gutes Geld verdienen.
Es hat länger gedauert als gedacht und natürlich haben wir viel gelernt, aber ich hoffe, dass wir ab März den Trip dann noch so gestalten, wie wir uns das vorgestellt haben, nämlich einem richtigem Trip in dem Travel größer als Work geschrieben wird. Wenn man auf das Jahr anderer Backpacker guckt muss man allerdings auch eingestehen, dass die meisten mehr arbeiten als reisen.
Nun will ich aber nicht zu viel um den heißen Brei reden, sondern mal mehr unsere Situation als meine Gedanken schildern:
Die Apfelfarm hält bisher absolut was sie verspricht und garantiert mir somit jeden Montag eine satte Überweisung auf mein Konto, während Lucas weiterhin in Brisbane als Sales Man tätig ist, da das Backpacker Hostel momentan voll ist. Beginnen tue ich die Tage mittlerweile um 4 Uhr und 9 Minuten, während die Sonne sich noch hinter den Feldern verbirgt. So nehmen wir also den Bus um 4:30, werden auf die Apfelfarm gefahren, wo die Arbeit um 5:15 beginnt. Die Aufgabe ist wie schon vor einiger Zeit geschildert: Apple Thinning, also die Apelbaum-Ausdünnung. Die nächsten 9-10 Stunden sind nicht übermäßig hart, allerdings ist man ständig unter Leistungsdruck, da die Supervisor versuchen die Backpacker gegeneinander arbeiten zu lassen. Zwischen 5:15 und ca 15:45 gibt es genau 3 Begriffe, die einen unbeschreiblichen Wert haben. Es sind nicht die klassischen romantischen “3 Worte”, sondern: “Smoko”, “Lunch” und “Knock off!”, also “Raucherpause”, “Mittag” und “Feierabend”. Und jedes Mal, wenn die Worte ertönen gibt es einen lauten Jubelschrei aus allen Baumkronen.
Vom Start der Arbeit bis zur kurzen 10 Minuten Pause sind es immerhin 5 Stunden Arbeit, teils noch unter angenehmen Temperaturen und der aufgehenden Sonne. Sprunghaft, nach dem “Smoko”-Ruf, klettern alle von den Leitern, fläzen sich unter einen Baum und essen erstmal was. Danach, von circa 10:15 bis 1 Uhr geht es weiter. Ich bin froh, dass ich aus dem Sonnenstand nicht die Uhrzeit ablesen kann, denn ansonsten würde ich ständig wissen wie spät es ist und somit die Zeit entschleuningen. Es ist schon erstaunlich wie relativ Zeit ist. Die ersten Stunden vergehen wie im Flug, doch kaum ist eine Pause in Sicht, will die Stunde bis dahin nicht vorrübergehen.
Aber mittlerweile habe ich mich an die Zeiten gewöhnt und sobald man im Rhythmus des Arbeitens ist, geht auch alles schneller. Ungefähr um ein Uhr mittags wird dann zum “Lunch!” gerufen. Das bedeutet 30 Minuten Pause, essen und ausruhen, um danach nochmal bis kurz vor 4 den letzten Teil des Tages hinter sich zu bringen.
Und dann kommt er, der alles erlösende Ruf, der jedem die verlorene Energie physischer 10 Stunden Arbeit sofort wieder in mentaler Form zurückgibt. Da Emma gestern ihren letzten Tag hatte, durfte sie zum “Knock Off” rufen. Dazu hat sie uns allen noch 2 Kästen Bier spendabuliert, die entleert wurden, bevor uns der Bus wieder ins Hostel gefahren hat. Danach ist duschen, einkaufen (und dabei WhatsApp Sprachnachrichten abarbeiten :D), kochen und ausruhen angesagt. Um 8 Uhr gehts dann ins Bett, poofen.
Und heute? Heute hab ich mal wieder einen freien Tag, da ab jetzt jeden Tag 4 Leute “off” kriegen und somit jeder nach einer Woche wieder dran ist. Ich habe mich für heute freiwillig gemeldet, aufgrund von 36Grad und 4-5 Metern hohen Bäumen, auf die ich nicht so Lust habe.
Mir wurde aber versichert dafür dann die nächsten 6-7 Tage durcharbeiten zu können, was wieder dickes Geld bedeutet.
Wie schon erwähnt, die Arbeit ist, sofern es nicht unglaublich heiß ist nicht wirklich körperlich anstrengend, wobei man natürlich schon erschöpft am Ende des Tages ist. Vielmehr könnte ich auf die Launen der Supervisor verzichten. Wir haben noch Glück, da es Farmen geben soll, in denen der Chef hinter einem steht und einem in militärischem Ton obszöne Beleidigungen über Gott, Genitalien und die Welt an den Kopf wirft und dabei mit der Entlassung droht.
Bei uns ist es eher ein arrogantes: “Komm noch mal zurück zu dem Baum, hier sehe ich noch viel zu viele Äpfel. Außerdem seid ihr viel langsamer als die anderen und deren Bäume sind wesentlich größer. Also beeilt euch verdammt nochmal, ansonsten bleibt ihr morgen lieber zuhause.” Teilweise auch: “Ihr habt eine Minute zu spät angefangen mit der Arbeit. Ihr werdet pro Stunde bezahlt und sollt dafür verdammt noch mal hart arbeiten. Jeder, der ab jetzt mit einer Hand arbeitet, kann sich morgen nen neuen Job suchen!” Klingt jetzt nicht so böse, aber sobald man die Stimme im Ohr hat und jedes “verdammt” durch “fuckin´” ersetzt, ist es schon ganz anders.
Es ist mehr ein Monolog, den man ertragen muss, sofern man die Rolle des “Auserwählten”, demjenigen, der an diesem Tag ständig kontrolliert und beobachtet wird, auferlegt bekommen hat. Einmal war das bei mir der Fall und ich durfte am nächsten Tag nicht zur Arbeit kommen, weil ich zu langsam war. Da ich dafür aber Sonntag (wo alle anderen frei hatten) arbeiten durfte, ist mir das im Nachhinein eigentlich egal, zumal das jetzt auch schon mehreren passiert ist.
Mit dem neuen Sonnenhut für 6 Dollar und frisch gewaschenen Sachen beginnt morgen jedenfalls meine mittlerweile schon vierte Woche, bei deutlich angenehmeren 29 Grad. Vielleicht schaffen wir es auch, wenn es so weitergeht unsere Reise ein wenig früher fortzusetzen, wobei es auch schön wäre mehr Geld ausgeben zu können, wodurch man dann wieder mehr erleben kann.
Wie auch immer, vielleicht kommen in den nächsten Tagen auch wieder ein paar Bilder. Ich freu mich jedenfalls schon auf die Zeit des Reisens, weil dann die Blogeinträge auch wieder lebendiger und hoffentlich lustiger werden. War ja eher ein Bericht aus der Tagesschau gerade.
Liebe Grüße
André und Lucas
14.01.2016 Stanthorpe, Brisbane, André

