Frankreich

Entlang der Côte d´Opale

Den Schlaf habe ich gut gebrauchen können. Als ich wieder aufwache steht die Sonne zwar tief aber kräftig strahlend am Himmel. Das Wetter heute soll ausgezeichnet werden – kein Regen und kein Schnee. Allein gegen die Kälte wird auch die Sonne nicht komplett ankommen können. Heute habe ich mir eine Stadtbesichtigung vorgenommen und will mir außerdem noch Wimereux, ein kleines Nachbarörtchen von Boulogne Sur Mer ansehen. Boulogne Sur Mer, kurz Boulogne, liegt am Ärmelkanal, von dem aus man heute sogar bis nach England schauen kann.

Ich verlasse die Unterkunft und schlendere zuerst die Straßen entlang, gemächlich in Richtung Altstadt. Meine Lippen sind schon nach ein paar Stunden Kälte von gestern ganz bröselig, weswegen ich mir einen Lippenstift holen will. Die von der App ausgegebene Übersetzung „rouge à levres“ macht mich wegen dem „rouge“ etwas stutzig, doch eine besseres wird mir nicht angeboten. Die Dame in der Apotheke führt mich kurz vor die Auswahl schöner Damenkosmetik und ich muss schmunzeln. Verdammt! Der Unterricht ist schon viel zu lange her. Anstatt den Laden mit rotem Kussmund zu verlassen, kriege ich doch noch meinen „stick lèvres hydratant“.

Ich laufe an schön gestalteten Konditoreien vorbei in die Altstadt. Diese liegt erhaben auf einem Hügel mitten in der Stadt. Umgeben wird das Zentrum von einer Mauer, in derem Inneren Boulogne´s eigene Notre Dame steht. Vor allem hier ist die Atmosphäre sehr entspannt, gar nicht mehr städtisch.

Als Tourist mit einer Kamera werde ich wohl aufgrund der Jahreszeit sehr oft beäugt, falle ich doch heute, ohne meinen Rucksack weniger auf als sonst. Von der Altstadt geht es an den Stadtrand, wo ein der Trajansäule ähnliches Denkmal steht. Das Denkmal soll den französischen Eroberungsversuchen gedenken, die vor 200Jahren planten von hier aus die britische Insel einzunehmen. Auf der Spitze der Säule steht dementsprechend auch Napoleon. Der ist zwar deutlich höher als ich, aber auch von hier unten sieht er so klein aus, wie alle immer sagen. Es ist ein herrlicher Ausblick, den man von hier oben genießen kann. Man kann weite Teile der Côte d´Opale, sowie die englische Küste erspähen. Von hier aus sehe ich schon den Ort Wimereux, den mir meine Gastgeberin empfohlen hat.

Anders als bei meinem Wanderurlaub in Südspanien vor 4 Jahren, gibt es hier viel mehr fußgängerfreundliche Wege. Nur kurz muss man an der Hauptstraße entlang gehen, dann bildet sich schon ein Pfad entlang der Küste, fernab des Straßenlärms. Die schroffen Küsten sind wunderschön und auch jetzt im Februar ist das im Wind fröstelnde Gras grün. Ponys oder zu mindestens kleine Pferde knabbern an jenem, lassen sich aber von meiner Anwesenheit nicht stören. Nun wandere ich entlang des Weges und sehe den Strandort Wimereux mit seiner Promenade immer näher kommen. Für den Rückweg habe ich auch direkt ein geeignetes Plätzchen für den Sonnenuntergang ausgemacht.

In Wimereux spaziere ich unter Begleitung von Möwen die Strandpromenade entlang. Hier würde sich meine Gastgeberin zu gerne eine Wohnung kaufen, doch die Flut und die Mietpreise halten sie davon ab. Ohnehin hat sie auch eine Wohnung im Süden Frankreichs, wo sie sich den Sommer lang aufhält. Zu beneiden! Nach einer kurzen Besichtigung drehe ich wieder um und laufe der Sonne entgegen Richtung Boulogne. Unglücklicherweise zieht sich der Himmel gerade wo sich die Sonne dem Horizont entgegenneigt zu. In den Genuss eines Sonnenuntergangs komme ich leider nicht, zumal im Februar eh nicht von einem Genuss die Rede sein kann, sobald die Sonne verschwindet.

Als ich wieder in der Unterkunft ankomme bin ich erschöpft, aber lediglich körperlich. Nach der Prüfungszeit und dem tristen Alltag mitsamt seiner Routine, sorgt ein bisschen Meeresluft und die Möglichkeit das machen zu können, was man gerade jetzt will wirklich für einen angenehmen Durchzug. Für morgen ist ein so heftiger Schneefall angesagt, dass die Schulbusse nicht fahren sollen. Meine Wanderung an das äußerste Kap „Gris Nez“ hängt also davon ab, ob die „Gris Nez“ morgen zur „Blanc nez“ wird oder nicht.

Wohinnoch? ist ein Reiseblog, in dem wir mit ausgiebig Zeit die weniger beachteten Orte dieser Welt besuchen.

Kommentar verfassen

Translate »
%d